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Das Trauma

Das Trauma

Titel: Das Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe
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Rauch in seinen feuchten Haaren.
    Er wird ganz still, sagt nichts, bewegt sich nicht. Nur das Geräusch seiner Atemzüge und das Knistern des Kamins sind im Zimmer zu hören.
    Lange bleiben wir so stehen.
    »Du«, sage ich. »Ich liebe dich.«

»Ich komme immer zurück, bin wie ein Korken. Treibe an der Oberfläche. Werde irgendwo an Land geschwemmt. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Patriks Stimme ist ruhig, leise. Aber sein Blick irrt durch mein kleines Sprechzimmer. Unter den Augen dunkellila Ringe der Müdigkeit und der Trauer. Wir treffen uns zu einem abschließenden Gespräch. Die Paartherapie ist zu Ende, die Beziehung ebenfalls. Ich frage mich, ob das bedeutet, dass ich versagt habe, denn natürlich habe ich mir gewünscht, dass ihre Beziehung geheilt werden könnte. Dass ich sozusagen die Scherben ihres Lebens zusammenkleben könnte wie die eines zerbrochenen Kruges.
    »Und Mia?«
    »Sie … wirkt ruhig. Fast froh.«
    »Und was ist das für ein Gefühl?«
    »Was glauben Sie denn, verdammte Pest?«
    Patriks Blick ist spitz, aber hinter der Wut ahne ich die Trauer und sehe ein, wie blödsinnig meine Frage war.
    »Ich will Ihnen erzählen, was das für ein Gefühl ist. Es ist einfach beschissen. Es wäre leichter, wenn sie mich wegen eines anderen verlassen hätte.«
    »Leichter?«
    »Ja, sie hat mich ja nicht wegen eines anderen verlassen, sondern wegen … gar nichts. Verstehen Sie?«
    Ich nicke langsam. Sicher verstehe ich. Trauer, Scham, weil man verschmäht worden ist. Und plötzlich schäme ich mich, denn mir geht auf, dass ich Markus gerade dem ausgesetzt habe.
    Doch, sicher liebe ich dich, aber ich brauche meine Freiheit. Ich will das Kind, aber nicht dich. Nicht hier in meinem Haus, in meinem Bett. In meinem Körper. Nicht so nah.
    »Und wie funktioniert das Praktische?«
    Er zuckt mit den Schultern und fährt sich mit der Hand durch die verfilzten Haare, die mich an die toten Grasbüschel in den Pfützen vor meinem Haus erinnern.
    »Das ist schon in Ordnung.«
    »Was bedeutet das?«
    »Die Kinder sind alle zwei Wochen bei mir. Mia hat eine Zweizimmerwohnung in der Brännkyrkagata gemietet. Sie hat fast alle Möbel mitgenommen, also … es ist zu Hause ein bisschen leer. Aber das Komische an allem ist, dass wir plötzlich eine Art … ich weiß nicht, wie ich das nennen soll, dass wir eine Geschäftsbeziehung haben, vielleicht? Als ob wir gemeinsam Geschäfte machten. Wir verhandeln. Wenn du den Tisch nimmst, dann nehme ich die Stühle. Ach, du hast schon Stühle gekauft, dann möchtest du vielleicht lieber einen Sessel? Wie gut, dann machen wir es so. Das ist total komisch. Irgendwie zivilisiert, auf eine … unglaublich traurige und schmerzhafte Weise. Und dann reißt man sich zusammen, um die Kinder zu holen und zu bringen und um gemeinsam zu Entwicklungsgesprächen zu gehen und sich normal zu verhalten, obwohl man nur schreien möchte. Und dann erzählt man den Tanten in der Kita, doch, wir haben uns getrennt, aber das ist überhaupt kein Problem. Wirklich nicht. Mia und ich verstehen uns ausgezeichnet. Und ja, natürlich könnt ihr uns beide anrufen, wenn etwas sein sollte, wir halten uns gegenseitig auf dem Laufenden. Verstehen Sie?«
    »Ich verstehe.«
    »Wirklich?«
    Patrik schaut mich mit müdem Blick an, und ich sehe, dass er mir einfach nicht glaubt. Ab und zu landet man mit einem Klienten in einer Situation, in der man das Gefühl hat, es wäre sinnvoll, die eigenen Erfahrungen teilen zu können, und sei es nur, um zu erklären, warum man das Gegenüber wirklich, wirklich versteht. Ich würde Patrik gern über Stefan und dessen Tod erzählen. Wie überzeugt ich davon war, dass mein Leben zu Ende sei. Ich würde gern gestehen, dass ich Markus nicht so lieben kann wie die Erinnerung an meinen toten Mann, würde gern die Erkenntnis über meine Unfähigkeit zu wahrer Liebe teilen. Liebe von der schönen richtigen Sorte, der selbstlosen, kindererzeugenden Kleinfamiliensorte.
    Aber das tue ich nicht. Ich sage nichts. Sehe ihn nur an, wie er da in sich zusammengesunken im Sessel sitzt und die langen ungeschickten Jeansbeine ausgestreckt hat. Denn normalerweise teile ich diese Art Vertraulichkeit nicht mit meinen Klienten.
    »Aber können Sie nichts Positives daran sehen, dass das Praktische immerhin gut läuft?«
    Wieder zuckt er mit den mageren Schultern, und die Ketten an seiner Lederjacke klirren.
    »Wenn Sie in die Zukunft blicken?«, rege ich an.
    Er lässt sich zurücksinken, scheint den

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