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Das Trauma

Das Trauma

Titel: Das Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe
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Mädchen, das zuerst den Mord an der eigenen Mutter mit ansehen musste und jetzt selbst verschwunden ist. Ich frage mich, ob sie noch lebt.
    »Ich habe mir jedenfalls einige Tage freigenommen. Halte es auf der Arbeit nicht aus. Es ist schwer, anderen etwas zu geben, wenn man sich so … so leer fühlt. Meinen Sie, das ist falsch von mir?« Kattis schaut mich fragend an. Scheint bei mir Anzeichen von Zustimmung oder Ablehnung zu suchen.
    »Ich glaube nicht, dass das falsch sein muss. Ich meine, das hier ist doch eine extreme Situation.«
    »Sie machen heute einen Ausflug, mit Übernachtung. Fahren zum Universum in Göteborg und wohnen im Hotel. Das Jobcenter, meine ich. Wir machen so was manchmal mit unseren Jugendlichen, wissen Sie. Viele von denen sind ja so eigen, haben nicht viele soziale Kontakte. Wir werden für sie Kumpels, Eltern und Arbeitgeber. Ab und zu ist das einfach so anstrengend …« Wieder schaut sie die Tischplatte an, rührt in ihrem Latteglas und betrachtet den Zauberer, der jetzt hinter dem Ohr eines kleinen Kindes funkelnde Silbermünzen hervorzieht.
    Und plötzlich wird es kalt in meinem Bauch. Ich brauche eine Weile, um meine Gedanken bewusst formulieren zu können.
    »Ihr Klient, der da war, als ich Sie besucht habe? Der Junge mit der Münze?«
    Kattis nickt und schaut sich gleichgültig im Café um.
    »Tobias? Was ist mit dem?«
    Ich denke an die Diskussion von Vijay und Markus. Wie sie darüber gesprochen haben, was Tilde gesehen hat, über das Geld, das der Mörder mitgenommen hat. Darüber, dass der Mörder zaubern konnte. Und ich sehe, wie die Kinder sich um den Zauberer mit der Münze drängen.
    »Sie haben erwähnt, dass er ein bisschen verliebt in Sie ist?«
    »Verliebt … ach, ich weiß nicht. Er ist sicher nur in mich verschossen. Er hängt mir dauernd am Rockzipfel. Bringt kleine Geschenke, möchte mich ins Café einladen. Er ist irgendwie immer in der Nähe. Folgt mir wie ein Hund, wirklich. Ab und zu glaube ich, dass er alles über mich weiß. Was ich sage, schreibt er sich in ein kleines Buch.«
    Sie kichert ein wenig und trinkt einen Schluck Kaffee.
    »Er schreibt auf, was Sie sagen?«
    Ich fühle mich gar nicht wohl in meiner Haut. Was Kattis da beschreibt, klingt nicht wie eine unschuldige Verliebtheit, sondern wie etwas anderes. In Gedanken höre ich Patriks nackte verletzte Stimme am Ende unseres Gesprächs. Dem Gespräch über die Liebe, nicht die schöne romantische Liebe, sondern die schwarze, gewaltsame, die uns zu Dingen treibt, die wir nicht tun dürften, die uns die Kontrolle verlieren lässt. Die Liebe, die verletzt, wehtut.
    »Ach, Sie wissen schon. Er ist eben einer von den Jungs, die sozusagen niemanden haben, keine Freunde, keine Familie. Deshalb habe ich mich anfangs um ihn gekümmert, könnte man sagen. Wir wurden … Freunde. Dann merkte ich, dass wir uns irgendwie zu nahekamen, verstehen Sie? Ich habe ihn dabei erwischt, dass er mir bei einem Telefongespräch zuhörte. Und einmal ist er mir und meinen Kolleginnen in die Stadt gefolgt, nach Feierabend.«
    »Das klingt nicht sehr gut.«
    Kattis lacht und hebt abwehrend die schmalen Arme.
    »Tobias ist harmlos. Das können Sie mir glauben.«
    »Weiß er von der Sache mit Henrik?«
    Sie sitzt still da und schaut mich mit leerem Blick an, als ob sie die Frage nicht verstanden hätte.
    »Henrik?«
    »Ja, dass Sie zusammen waren. Und dass er Sie geschlagen hat.«
    Sie nickt langsam, und ich kann sehen, wie ihre porzellanweißen Wangen rot werden.
    »Doch, das weiß er. Aber fragen Sie mich nicht, woher. Ich habe es ihm jedenfalls nicht erzählt. Vermutlich hat er es von irgendwem im Büro. Er hat gesagt, dass er mich vor Henrik retten wird. Das ist schon ein wenig komisch. Mein Held ist ein Junge von zwanzig Jahren, der nicht alle Tassen im Schrank hat …«
    Auf der kleinen Bühne ist die Vorstellung jetzt zu Ende. Der Zauberer hat seinen Hut abgenommen, und das Publikum zerstreut sich. Mein Körper fühlt sich steif und kalt an. Ich verspüre einen Anflug von Kopfschmerzen, das übliche Unwohlsein macht sich bemerkbar. Die vielen Menschen, die vielen Geräusche. Eine Mischung aus Kochdünsten und frischgebackenem Brot und darunter der harschere Geruch von rohem Fleisch und Blut. Ich muss mehrmals schlucken, um nicht auf den Tisch zu spucken.
    »Kattis, ich weiß, das hört sich vielleicht komisch an, aber könnte er … gewalttätig werden? Ist er gefährlich?«
    »Gefährlich, ob er mich bedrohen könnte,

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