Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen
Haushalt?«
»Ja. Eigentlich nein, ich hatte jetzt bloß längere Zeit keine Anstellung.«
Die junge Frau musterte sie aufmerksam. »Sind Sie voll arbeitsfähig? Seien Sie mir nicht böse, aber Sie sind so blaß. Haben Sie irgendeine Qualifikation?«
»Ich beherrsche einige Fremdsprachen, schreibe auf der Schreibmaschine, stenografiere . . .«
»Du meine Güte! Und da brauchen Sie das Arbeitsamt? Um solche Leute reißt man sich hier. Sie sind nicht aus unserer Stadt, wie? Na, das konnte ich mir denken. Fremdsprachen!«
»Nein, ich bin nicht aus dieser Stadt. Wir sind erst seitkurzem hier. Mein Mann arbeitet im Krankenhaus. Das sind meine Papiere.«
Sie holte ihren provisorischen Ausweis hervor. Die junge Frau langte danach. Dann erstarrte ihr Gesicht ein wenig, sie legte die Hand auf das wieder sorgfältig zusammengefaltete Papier und fragte sachlich:
»Sie haben keinen Bürgerausweis?«
»Nein. Das heißt, noch nicht. Aber Arbeit brauche ich sehr dringend. Ich würde ungern lange warten.«
Die Frau hinter dem Schreibtisch erhob sich ächzend aus ihrem Stuhl, schritt auf ein schäbiges Ledersofa unter dem Fenster zu und fordert ihre Besucherin fast freundschaftlich auf:
»Wissen Sie was, meine Gute? Wir setzen uns jetzt hier zusammen, und Sie sagen mir, aber offen, was Sie eigentlich brauchen. Wenn wir einander nicht verstehen, kann ich Ihnen nicht helfen. Also kommen Sie, und haben Sie keine Angst.«
Ich werde ihr alles sagen, sie soll wissen, wer ich bin.
Es war eine kurze Beichte. Im Hof spielten junge Leute Handball. Ehe sie das zweite Tor schossen, wurde es still in dem Zimmer, nur eine Feder krachte, als die junge Frau auf dem Sofa unruhig hin und her rückte.
»So ist das also«, bemerkte sie. »Die Fremdsprachen werden Ihnen in diesem Fall kaum nützen. Wenigstens vorläufig nicht. Haben Sie Kinder?«
»Ein kleines Mädchen.«
»Ihr Mann arbeitet im Krankenhaus, sagten Sie. Als Arzt verdient er doch nicht so schlecht, warum bleiben Sie nicht lieber eine Zeitlang zu Hause und ruhen sich gehörig aus, damit Sie ein wenig zu sich kommen? Es geht mich zwar nichts an, aber wenn ich Sie so anschaue . . .«
»Mein Mann ist Arzt, aber er hat nur einen Laborantenposten bekommen.«
»Ach der Teufel soll doch . . .! Wissen Sie was, meine Gute, ich werde Ihnen eine Anstellung finden. Etwas Tolles wird es im Augenblick nicht gerade sein, das werden Sie verstehen, aber ich sage Ihnen noch etwas: Sie rappeln sich wieder hoch, bestimmt. Wenn man an diesem Tisch sitzt, dann kennt man sich allmählich in den Menschen ein bißchen aus. Gehen Sie jetzt ruhig nach Hause, und im Laufe einer Woche finde ich etwas für Sie, darauf können Sie sich verlassen.« Sie stand auf und reichte ihr die kleine weiche Hand. »Alles wird wieder gut«, fügte sie noch hinzu, »ich vertraue Ihnen, auch wenn Ihnen das wohl kaum etwas nützt.«
Sie drückte ihr schweigend die Hand. Die junge Frau merkte, daß ihrer Besucherin die Tränen in den Augen standen. Dennoch konnte sie nicht wissen, was sie soeben für sie getan hatte.
»Pavel, ich habe Arbeit! Die Frau hat Wort gehalten. Schau, was sie schreibt!«
Er warf das Netz mit den Einkäufen auf den Tisch und umarmte seine Frau. Endlich! Die ganze Zeit war sie wie gelähmt, wie hinter einem Nebelvorhang. Jetzt hatte sie zum ersten Mal mit ihrer alten, lebhaften Stimme gesprochen. Er hatte schon befürchtet, man habe sie um ihr Selbstvertrauen gebracht, ihre Frische und unverwüstliche Lebenslust sei hinter den Gittern geblieben. Géraldine pflegte noch heiter zu sein, wenn andere schon langsam alles aufgaben.
»Zeig mir den Wunderbrief. Arbeit ist das wenigste, was sie dir schulden. Ich bin neugierig, was man dir anbietet.«
Er setzte sich in der Küche mit dem tropfenden Wasserhahn, die zugleich auch ihr Wohn- und Badezimmer und Petruschkas Kinderzimmer war, auf den nächsten Stuhl. »Handel mit Bedarfsgegenständen für den Haushalt, Bezirksbetrieb in . . . stellt Sie als Leiterin der Musterabteilung des Sortiments Nr. 0874 an. Melden Sie sich in der Kaderabteilung . . .«
Er faßte sich an den Kopf. In der Kaderabteilung. Dort wird womöglich irgendein unerfahrener, eingebildeter Dummkopf sitzen, sie wird sich vor ihm demütigen müssen. Wird das denn niemals aufhören!
»Quäl dich nicht, Pavel«, bat sie leise. »Es ist doch wenigstens etwas. So würde ich wahrscheinlich verrückt werden. Ich laufe in der Wohnung herum und zähle unwillkürlich fünf Schritte hin und
Weitere Kostenlose Bücher