Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen
fünf Schritte her. Du gehst früh zur Arbeit, Petruschka geht in die Schule, und ich bleibe hier und bin zu nichts nütz.«
»Du sollst dich ausruhen, du brauchst es.«
Sie stand hinter ihm, die Hand in seinem Haar. Auf einmal beugte sie sich nieder und küßte ihn auf die Narbe über dem linken Auge.
»Sei nicht unglücklich, mon vieux. Ich weiß überhaupt nicht, was eine Musterabteilung ist, und die Bedarfsgegenstände für den Haushalt kann ich mir nicht einmal vorstellen. Vielleicht sind es Besen oder Zahnstocher oder Briefkästen für Wohnungstüren. Oder vielleicht Fliegenfänger, gestickter Küchenschmuck oder Klosettbürsten, was weiß ich. Und weil ich Fremdsprachen kann, werde ich vielleicht übersetzen, daß das alles Made in Buxtehude ist oder so.« Er lächelte traurig.
»Mutti«, bettelte Petruschka, die dabei war, eine Hausaufgabe über kurze und lange Selbstlaute zu schreiben, und umarmte sie, »du nimmst mich mit, ja?«
»Mitnehmen? Wohin denn, Liebling?«
»Bis du in die Bedarfsgegenstände gehst.«
Die ganze Sache entwickelte sich dann überraschend schnell.
Sie benötigte nur einen kleinen Anlauf und beschloß deshalb, sich erst in zwei Tagen vorzustellen. Vorher wird sie noch Pavels Hemden waschen und Petruschkas Blusen und Röckchen, damit alles hübsch in Ordnung ist, wenn sie ihre Arbeit antritt. So stand sie über dem kleinen Waschzuber mitten in der Küche, ein wenig atemlos ob der ungewohnten Anstrengung, rang jedoch tapfer mit dem Seifenschaum, der die Wäsche und teilweise auch sie selbst bedeckte, als jemand an die Tür klopfte. Sie trocknete die Hände und ging öffnen. Auf der Schwelle stand ein unbekannter, älterer Mann.
»Guten Tag. Frau Barbora Starková?«
»Sie wünschen?«
»Ich bin Sie holen gekommen«, sagte er gemütlich und schien verblüfft zu sein, daß die Frau vor ihm erblaßte. Sie erstarrte geradezu und blickte ihn so wild an, daß er im Geist brummte: Wohl zu fein oder was? Aber andererseits: Die abgewetzte Hose, die einfache weiße Bluse und statt einer Schürze nur ein durchnäßtes Geschirrtuch um die Hüften, Augen wie ein Kaninchen, das von einer Schlange gebissen wurde – das alles machte nicht den Eindruck einer beleidigten Dame.
»Kann ich einen Augenblick hereinkommen, junge Frau? Ich sehe, Sie sind gerade beim Waschen, aber wir brauchen Sie dringend. Da habe ich mir gesagt, daß ich bei Ihnen vorbeispringe und Sie frage, ob Sie nicht gleich mitkommen könnten. Sie haben heute Wäsche, das istklar, aber die Musterabteilung Glas und Porzellan funktioniert schon zwei Monate lang nicht.«
Sie brauchen mich! Die Fliegenfänger, Zahnstocher und Besenstiele. Diese wunderbaren gewöhnlichen Dinge. Und ich denke immer nur an jenen Irrsinn, habe immer noch Angst.
»Ich muß den Haushalt ein bißchen in Ordnung bringen. Aber schon morgen wollte ich in die Kaderabteilung gehen.«
»Das eilt nicht. Die Hauptsache ist die Musterabteilung. Ich heiße übrigens Pátek, Frau Stárkowá . . .«
»Freut mich sehr. Aber ich heiße Starková«, verbesserte sie ihn mit einem kleinen Lächeln und reichte ihm endlich die Hand, »ich habe ein Strichlein zu wenig.«
»Sie haben was? Ach so! Das ist gut, ha – ha, das ist wirklich gut. Besser, als wenn Sie ein Rädchen zu viel hätten, wie? Schauen Sie, junge Frau, lassen Sie hier alles stehen und liegen, und kommen Sie gleich mit mir. Schließlich bin ich auch aus der Kaderabteilung, also keine Angst. Ihre Papiere bringen wir schon noch in Ordnung. Das Arbeitsamt empfiehlt Sie, das genügt. Und in der Musterabteilung wird es Ihnen gefallen, Sie werden schon sehen.«
»Gut. Ich schlüpf nur in einen Rock und schreibe meinem Mann ein paar Worte auf, damit er weiß, wo ich bin. Um wieviel Uhr werde ich zurück sein?«
»Nach vier. Also spätestens. Und schreiben Sie ihm, daß es gleich hinter dem Schloß ist, Glas und Porzellan, wird ihm schon jeder sagen wo, damit er Sie findet, wenn er Sie vielleicht abholen möchte.«
Sie nahm ein Zeichenpapier, auf dem sich Petruschka vergeblich bemüht hatte, das Porträt des ekelhaften Bäckers festzuhalten, und schrieb in großen Schriftzügen:
»Ich habe meine Arbeit angetreten! Abteilung Glas und Porzellan (unterhalb des Schlosses), bin spätestens um 16 Uhr zurück. Die Musterabteilung kann nicht länger warten. Die Wäsche mache ich am Abend fertig. Géraldine.«
Der alte Pátek sah die Unterschrift, sie füllte den halben Bogen aus. In den Papieren, die in seiner
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