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Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Titel: Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenka Reinerová
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Tasche steckten, stand Barbora. Aber er fragte lieber nichts. Genossin Marková vom Arbeitsamt hatte gesagt, die Frau sei ein ganz besonderer Fall, und man solle sie nicht mit überflüssigen Fragen beunruhigen.
    Als sie zusammen die Treppe hinunterstiegen, bemerkte er deshalb nur:
    »Frau Starková, wenn Ihnen im Betrieb jemand den Nerv töten sollte – Sie wissen ja, wie das so ist, ein neuer Angestellter, da sind die Leute neugierig wie Ziegen –, machen Sie sich nichts daraus, und die Superneugierigen schicken Sie ruhig zu mir. Ich werde schon mit ihnen fertig. Aber Ihr Chef ist zufällig prima, wirklich.«
    Der prima Chef, ein junger Mann, empfing sie mit unverhohlener Neugierde. Allem Anschein nach hatte er gewußt, daß Pátek sie holen gegangen war. Er hielt nach ihnen in der krummen Gasse der Altstadt Ausschau, stand vor dem Eingang eines kleinen Ladens, in dessen verstaubtem Schaufenster ein Sträußchen gläserner Vergißmeinnicht lag. Dann gab es dort noch ein Thermometer in Form einer Glaspalme, unter der ein winziges Negerlein saß, und drei kleine Blumentöpfchen mit einer weißen, einer roten und einer gelben Minitulpe, alles aus Glas. Auf einem einstmals himmelblauen, nunmehr aber nur noch traurig grauen Stück Stoff war eine schwarze Tafel befestigt mit der silbernen Aufschrift: Glas und Porzellan, Bezirksbetrieb in . . .
    »Hier bringe ich sie dir«, rief der alte Pátek schon von weitem triumphierend. »Das ist Ihr Chef, Frau Starková. Na und jetzt könnt ihr schon alles selbst besprechen, nicht? Und wie ich schon sagte: wenn Sie etwas brauchen, kommen Sie ruhig zu mir. Aber ansonsten wird Ihnen unser Jaroslav alles bestens erklären und einrichten. Ich muß noch bei der Elektroabteilung vorbeischauen. Also bis dann!«
    Unsere Werktätigen kennenlernen, das wäre für Sie das Richtige, kennenlernen und eine Zeitlang unter ihnen arbeiten.
    »Hrabal«, sagte der junge Chef, der wie ein hochgeschossener Kater mit dem Kopf einer lustigen Mickymaus aussah, und betrachtete sie interessiert. »Ehrlich gesagt, ich habe Sie mir ganz anders vorgestellt. Sie können wirklich sechs Sprachen?«
    »Wirklich«, antwortete sie, »aber was eine Musterabteilung ist, weiß ich nicht, und vom Geschäft verstehe ich überhaupt nichts.«
    »Macht nichts. Das ist kinderleicht, ich habe es auch erst lernen müssen. Kommen Sie, ich stelle Sie nur schnell den Herrschaften hier vor, und dann gehen wir gleich zusammen in die Musterabteilung, und ich zeige Ihnen alles. Hier haben wir nur ein Büro.«
    Sie betraten den dunklen Laden. Drei alte Männer hoben schlagartig die Köpfe von irgendeiner Schreibarbeit. Wie drei Molche, die rücksichtslos aus dem Schlaf geschreckt wurden.
    »Das hier ist unsere Lagerevidenz«, erklärte Chef Hrabal. »Herr Vojtech . . .« Ein kleines trockenes Gesicht mit harten Zügen und stechenden Augen, Schutzärmel aus schwarzem Kloth. Er blickte sie kaum an. Ein ehemaliger Gendarm, aber das erfuhr sie erst später.
    »Herr Kamnický, der Älteste unter uns.« Ein wackelnder Kopf mit großen farblosen Augen, die zur Hälfte von schweren Lidern bedeckt waren. Er erhob sich und begann dabei fürchterlich zu husten. Ein Steuerbeamter im Ruhestand, wie man sie gleichfalls später belehrte.
    »Herr Klapka, unser einziger Kavalier.« Ein schnurgerader Scheitel auf grauem Kopf, unter der Nase ein sorgfältig gestutzter dichter Schnurrbart, ein leicht glänzender, aber gut erhaltener dunkler Anzug. Er verneigte sich, fast als wollte er ihr die Hand küssen. Der einstige Besitzer eines kleinen Juwelierladens.
    Unsere Werktätigen kennenlernen, das wäre für Sie das Richtige.
    »Und jetzt die Damen. Frau Kucerová, das ist Frau Starková.«
    Die üppige, im Abblühen begriffene Blondine mit mächtigem Busen, Witwe eines Eisenbahnbeamten, widmete ihr ein vorsichtiges, sauersüßes Lächeln.
    »Freut mich, junge Frau, hoffentlich wird es Ihnen bei uns gefallen.«
    »Und das ist Lída, das heißt Fräulein Dvoráková.«
    Das Fräulein hatte den schlechten Teint eines nicht mehr ganz jungen Mädchens, war vierschrötig und ungelenk. Sie war jedoch die einzige, der das neue Gesicht scheinbar Freude machte.
    Einen Tisch für die Neue hatten sie noch nicht.
    »Sie werden ohnehin mehr in der Musterabteilung sein als hier.« Lída stellte bereitwillig noch einen Stuhl zu ihrem Tisch.
    »Irgendwie werden wir schon zurechtkommen.«
    »Frau Starková wird, wie ich euch schon gesagt habe, unsere neue Leiterin der

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