Das Traumprinzen Casting
gut machen und reichte ihr ein Glas mit den Worten: „Für Sie soll es doch sicher nur Orangensaft sein?“, mit einem zwinkernden Nicken in Richtung ihres leicht gewölbten Bauches. „Was soll das denn heißen?“, empörte sich Ute. „Ich bin doch nicht schwanger. Her mit dem Sekt! So eine Unverschämtheit!“ Dass sie mich den ganzen Abend lang kalt lächelnd ignorierte, muss ich nicht erwähnen...
Und auch dieser Tag heute, ein Sonntag, scheint sich für mich zu einem Pechtag zu entwickeln. Ich sitze mit meinen Eltern in ihrem Esszimmer am liebevoll gedeckten Esstisch und warte . Mein Vater hat gerade begonnen mit seinen Fingerspitzen auf den Tisch zu trommeln. Das macht er immer, wenn er nervös oder ärgerlich ist. Schon als Kind wusste ich, dass Fingerklopfen nichts Gutes bedeutet. Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis er einen seiner berühmten Wutausbrüche bekommt. Meine Mutter sagt gerade zum zehnten Mal: „Ich sehe mal nach, ob die Klingel noch funktioniert!“
Dabei steht sie auf und verschwindet in Richtung Küche. Ich glaube, dass sie auf dem Weg zur Tür jedes Mal in der Küche von ihrem gekochten Essen nascht. Meine Mutter liebt es zu essen und sie kann es absolut nicht leiden, wenn sie warten muss. Nach einiger Zeit ertönt alibimäßig ein schrilles „Drrrriiinggg“ und ein „Funktioniert noch!“, bei dem mein Vater und ich jedes Mal zusammen zucken.
„Wann hat er gesagt, dass er kommen will?“, fragt meine Mutter, als sie sich wieder auf ihren Platz setzt. „Um 14 Uhr“, antworte ich zum zehnten Mal. Dabei läuft mir langsam ein kleiner Schweißtropfen die Stirn herunter.
Heute ist LGVT , L ebensabschnitts- G efährten- V orstellungs- T ag.
Diesen Tag haben meine Eltern eingeführt, als ich zwanzig wurde und sie sich nun näher für meine Lebenspartner interessierten. Immerhin würden zukünftige Enkelkinder einen nicht unerheblichen Genanteil von meinem Partner erben, so lautete ihr Tenor und den müsse man sich schließlich genauer ansehen. Ich hatte schon einige LGVT s und jedes Mal war ich mir sicher, dass es nun der letzte sein würde, da ich meinen Traumpartner gefunden hätte. Meine Eltern haben inzwischen eine Art Routine beim LGVT entwickelt. Ähnlich wie beim Arzt, der einen Gesundheitscheck durchführt, wird der potentielle Schwiegersohn anhand einer Liste, die nur in ihren Köpfen existiert, auf Herz und Nieren getestet.
Würde man die Liste ausdrucken, würde sie ungefähr so aussehen:
Checkliste potentieller Schwiegersohn
Erster Bereich: Äußere Erscheinung
gut gekleidet ja/nein
mindestens 1.80m ja/nein
volles Haar ja/nein
gepflegte Hände ja/nein
O-Beine ja/nein
sportliche Figur ja/nein
Zweiter Bereich: Lebenseinstellung
gute Schulbildung ja/nein
erfolgsorientiert ja/nein
kinderlieb ja/nein
Fußballfan (extrem wichtig für meinen Vater) ja/nein
plant ein Eigenheim mit Gästezimmer für Schwiegereltern zu bauen (extrem wichtig für meine Mutter) ja/nein
pünktlich ja/nein
zuverlässig ja/nein
Im Idealfall könnte der potentielle Schwiegersohn 13 Punkte erreichen, einen für jede mit „ja“ beantwortete Frage. Bis zu 10 Punkten lassen meine Eltern noch mit sich verhandeln, aber darunter ist er für sie definitiv als potentieller Schwiegersohn durchgefallen.
Mein jetziger Lebensabschnitts-Gefährte Sven hat demnach schon zwei Minuspunkte, obwohl sie ihn noch nicht einmal kennengelernt haben. Denn er hat nun schon eine Stunde Verspätung und ist telefonisch nicht erreichbar, was ihn auch nicht gerade als zuverlässig erscheinen lässt. Sven und ich sind nun schon vier Monate zusammen. Für andere klingt das vielleicht kurz, aber für mich ist es eine ganz schön lange Zeit, denn mit Männern habe ich nicht gerade Glück.
Meine Freundinnen sind mit Anfang dreißig alle schon verheiratet, einige haben bereits Kinder und die meisten haben sich kleine niedliche Eigenheime gebaut. Ich bin nicht verheiratet, habe keine Kinder und wohne in einer WG mit Olgér (gesprochen Oltscheeer), meinem homosexuellen Freund, der eigentlich Holger heißt, aber den Namen zu unspektakulär findet. Olgér und ich kennen uns noch aus Studienzeiten. Er ist
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