Das Traumschloss
Sekunden verlor sie die Nerven und wäre am liebsten hinausgeeilt. Dann sah sie jedoch Matty, der in der ersten Reihe auf Cathy Morris’ Schoß saß, und atmete tief durch. Wenn sie keinen Sorgerechtsstreit wollte, musste sie Ramon heiraten.
Ihr elfenbeinfarbenes Seidenkleid raschelte bei jedem Schritt. Eigentlich hatte sie das violette Kostüm tragen wollen, das sie sich vor zwei Jahren für die Hochzeit ihrer Mutter gekauft hatte. Ramon hingegen hatte darauf bestanden, dass sie stilecht vor den Altar trat, und eine Designerin mit dem Entwurf ihres Kleides beauftragt.
Es ist traumhaft, hatte sie gedacht, als sie sich zum ersten Mal darin im Spiegel betrachtete. Der schlichte, aber elegante Schnitt betonte ihre Brüste und ihre schlanke Taille, und die edlen Swarovskisteine, mit denen der Ausschnitt besetzt war, verliehen ihm das gewisse Etwas. Damit endete allerdings der Traum. Anders als die meisten Bräute würde sie ohne Erwartungen in diese Ehe gehen und konnte deshalb auch nicht enttäuscht werden.
Sie war ohnehin zu alt, um noch an Märchen zu glauben, wie Lauren sich ins Gedächtnis rief, als sie neben Ramon stehen blieb und sich zwang, ihn anzusehen. Ein unergründlicher Ausdruck flackerte in seinen Augen auf, doch dann senkte er den Blick.
Kurz darauf begann der Priester mit seiner Ansprache.
„Du fällst doch nicht in Ohnmacht, oder?“, erkundigte Ramon sich leise, als sie eine halbe Stunde später in den hellen Sonnenschein traten und sich für den Fotografen aufstellten. „Du bist ganz blass. Vielleicht hätten wir noch warten sollen, bis du völlig wiederhergestellt bist.“ Besorgt runzelte er die Stirn.
Sie sieht aus wie ein Gespenst, dachte er grimmig und hatte sofort ein schlechtes Gewissen, weil er mit der Hochzeit noch hätte warten müssen. Er hatte sich eingeredet, dass er so schnell wie möglich heiraten wollte, um Mateos Zukunft zu sichern, aber es war nicht die ganze Wahrheit gewesen. Er begehrte Lauren wie keine andere Frau zuvor, und als sie in ihrem Brautkleid auf ihn zugeschritten war, das blonde Haar locker hochgesteckt und den Blick auf ihn gerichtet, hatte ihm der Atem gestockt.
Trotz ihrer scheinbaren Gelassenheit hatte er ihr angemerkt, wie nervös sie war, und Schuldgefühle verspürt. Er hatte sie mit seiner Drohung, vor Gericht zu gehen, zu der Heirat gezwungen und fast damit gerechnet, dass sie im letzten Moment einen Rückzieher machte. Doch sie war zu ihm gekommen, und als sie schließlich vor ihm stand und ihn anlächelte, hatte sich sein Herz zusammengekrampft.
„Nein, es geht mir gut“, versicherte Lauren. Niemals hätte sie zugegeben, dass sie sich ganz beschwingt gefühlt hatte, als der Priester Ramon und sie zu Mann und Frau erklärt hatte. Sie betrachtete ihren Brautstrauß aus kleinen roten Rosen und atmete tief den süßen Duft ein.
„Vielen Dank für die Blumen“, fügte sie ein wenig verlegen hinzu. „Es war eine nette Überraschung.“ Der Butler hatte ihr den Strauß überreicht, bevor sie aufgebrochen war, und gesagt, dieser wäre vom Duque.
Damals hatte Ramon ihr am Tag nach ihrer ersten Begegnung drei Dutzend rote Rosen geschickt und sie auf der beiliegenden Karte zum Abendessen eingeladen. Hatte er ihr dieselben Blumen ganz bewusst zur Hochzeit geschenkt? Bei dieser Vorstellung setzte ihr Herz einen Schlag aus.
„Es hätte seltsam ausgesehen, wenn meine Braut mit leeren Händen gekommen wäre“, erwiderte er kühl und nahm ihr damit alle Illusionen.
Trotzdem lächelte sie tapfer weiter. Es ist eine Zweckehe und keine Märchenhochzeit, rief sie sich ins Gedächtnis, während sie ihre Enttäuschung verdrängte.
Nach der kirchlichen Trauung fand im Schloss ein Empfang statt. Der Koch hatte sich mit dem Menü selbst übertroffen, und zur Krönung gab es eine fünfstöckige Hochzeitstorte, die Ramon und Lauren zusammen anschnitten.
Lauren vermutete, dass die Gäste rege darüber spekulierten, warum der Duque die Mutter seines Sohnes erst ein Jahr nach dessen Geburt geehelicht hatte und warum diese nicht dem spanischen Adel entstammte. Aber niemand sagte etwas – jedenfalls nicht ihr gegenüber –, und Ramons Verwandte schienen sie gern im Kreis der Familie aufzunehmen.
Nur ein Gast teilte die Freude der anderen nicht. Schon beim Essen hatte Lauren sich beobachtet gefühlt, und immer wenn sie sich umsah, war sie dem eisigen Blick einer arrogant wirkenden, sehr attraktiven Spanierin begegnet.
„Pilar ist sehr schön, nicht wahr?“,
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