Das Traumtor (German Edition)
großmächtige König von Valamin!
Zornig und unglücklich zog ich mich in meiner Räume zurück und verschloss die Türen. Ich wollte niemanden sehen, denn eine tiefe Traurigkeit hatte mich befallen. Wie hatte ich diese täglichen Kampfstunden mit Rowin geliebt, wo ich ihn ganz allein für mich hatte! Doch ab jetzt würden sie für mich nur eine erzwungene Pflicht sein, und auch alles andere würde von Rowins unverständlichem Benehmen vergiftet sein. Ab jetzt würde ich nur noch in seine Nähe gehen, wenn er es mir befahl. Wenn er meinte, mir gegenüber den Herrscher herauskehren zu müssen, so würde ich ihm die Gelegenheit dazu gern geben.
So dachte ich auch gar nicht daran, zum gemeinsamen Abendbrot hinunter zu gehen, das wir – bis auf wenige Ausnahmen, wenn Gäste da waren – zu viert einzunehmen pflegten. Es verwundete mich daher auch nicht im Geringsten, daß Deina an meine Tür klopfte, kurz nachdem man sich zum Essen getroffen haben musste.
„Athama, warum kommst du nicht darunter?“ hörte ich ihre Stimme durch die Tür. „Was ist denn los? Fühlst du dich nicht wohl?“
Ah, dieser Feigling! Er hatte den anderen also nichts von unserer Auseinandersetzung erzählt. Logisch, er hatte ja auch keine besonders glückliche Figur dabei abgegeben. Doch Deina konnte ja nichts dafür, also ging ich zur Tür und ließ sie ein.
„Was ist los, Athama? Geht es sie nicht gut?“ fragte sie, und ich sah, daß sie meine von Weinen geröteten Augen wohl bemerkte.
„Frag deinen Bruder, den mächtigen Herrscher von Valamin, was mir fehlt!“ sagte ich barscher als ich wollte, denn ich schämte mich, daß ich geweint hatte.
„Hat er dich verletzt?“ fragte Deina erschrocken.
„Ja, das hat er!“ antwortete ich. „Aber nicht so, wie du es meinst. Frage ihn nur selbst, denn er als König durfte ja wohl keine Angst haben, über seine Befehle zu sprechen. Wenn er wünscht, daß ich an der Tafel erscheine, so soll er es mir befehlen. Dann werde ich ihm selbstverständlich gehorchen, denn ich kann nicht wagen, einem so mächtigen Herrn wie ihm zu widersprechen, wenn ich nicht Kerkerhaft riskieren will. Ansonsten bitte ich dich, es mir zu ermöglichen, daß ich ab heute hier in meinen Räumen essen kann. Willst du das für mich tun, Deina?“
Auf Deinas hübschem Gesicht erschien ein kleines Lächeln. „Hat er wieder einmal keinen anderen Ausweg gesehen, als einer Frau zu befehlen, wenn er nicht mehr weiß, wie er ihr anders beikommen kann?“ fragte sie schelmisch. „Ach, daran wirst du dich gewöhnen müssen, Athama! So ist er nun mal eben. Das macht er mit mir auch. Wenn er nicht mehr weiter weiß und in Verlegenheit gerät, kehrt er den großen Bruder heraus, und bei dir halt eben den König. Nimm das nicht so tragisch! Er meint es nicht so, denn ich weiß, daß er dich sehr gern hat.“
„Davon habe ich heute Nachmittag nicht das geringste gespürt!“ fauchte ich, böse über ihre unerwartete Reaktion. Ich hatte gehofft, bei ihr Verständnis für die mir an-getane Ungerechtigkeit zu finden. Doch sie schien die Angelegenheit auf die leichte Schulter zu nehmen.
„Ach, komm!“ lachte sie. „Er hat es bestimmt schon längst bereut, daß er dich gekränkt hat. Komm mit hinunter, und du wirst sehen, daß er längst nicht mehr böse ist.“
„Aber ich bin böse!“ fuhr ich auf. „Er soll wissen, daß er so mit mir nicht umspringen kann. Es ist mir völlig gleich, ob er den Vorfall längst vergessen hat oder nicht. Ich habe nicht vergessen, wie er mich gedemütigt hat, und ich werde diese Kränkung nicht vergeben. Ab heute wird er mir für alles Befehle geben müssen, wenn er etwas von mir will. Ich bin ein Mensch, der vernünftigen Argumenten immer zugänglich ist und füge mich sonst gern, wenn man mir die Notwendigkeit von Dingen klarmacht. Aber ab jetzt werde ich nur noch stur gehorchen.“
Deina sah wohl ein, daß ich unerbittlich bleiben würde. „Wie du willst!“ sagte sie resignierend. „Ich werde Rowin deinen Entschluß mitteilen.“
Als sie gegangen war, kroch mir doch ein leichtes Gefühl der Angst über den Rücken. Was war, wenn ich mit meinem Verhalten Rowins Ärger erneut angestachelt hatte? Ich hatte ihm nichts entgegenzusetzen und war ihm im Ernstfall hilflos ausgeliefert. Wenn er mir wirklich an den Kragen wollte, konnten ihn auch Deina und Targil nicht davon abhalten. Er war nun einmal der unumschränkte Herrscher dieses Landes. Doch mein gekränkter Stolz und mein Trotz ließen
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