Das Traumtor (German Edition)
Duft seiner Haut. In meinem Bauch entstand ein süßes Brennen, das in Windeseile meinen ganzen Körper durchlief und mich erschauern ließ. Sein Gesicht näherte sich dem meinen, und die schloß die Augen in Erwartung seines Kusses. Doch plötzlich ließ er mich los und räusperte sich.
„Ich muss gehen, Athama“, sagte er. „Auf mich wartet noch eine Arbeit, die ich nicht aufschieben kann. Schlaf gut! Wir sehen uns beim Frühstück.“ Er drehte sich um und verließ mein Zimmer.
Völlig ernüchtert, als habe mich ein Guß kalten Wassers getroffen, blieb ich zurück. Ich war total verwirrt. Hatte er mich nun küssen wollen, oder hatte er nicht? Wenn ja, was hatte ihn davon abgehalten? Wenn nein, warum tat er dann so? Ich war ja kein dummes Mädchen mehr und hatte schon längst bemerkt, daß ich etwas mehr für Rowin empfand, als gut war. Ich hatte aber aus zwei Gründen versucht, mir nichts anmerken zu lassen: erstens wußte ich nicht, wie ein Mann mit seiner Erziehung auf die Initiative einer Frau reagieren würde, und dann – er war der König und ich eine Fremde! Wohin sollte das führen?
So hatte ich versucht, die Gleichgültige zu spielen, obwohl ich diesen Mann mit jeder Faser meines Körpers begehrte. Ich hatte jedoch nicht angenommen, daß er in mir vielleicht etwas anderes sehen könnte als eine hilflose Frau, die durch Zufall in seine Obhut geraten war und für die er die Verantwortung übernommen hatte. Seine gleichbleibend herzliche Freundlichkeit war mir so manches Mal schon fast unerträglich gewesen, da sie mir nur Athama, der Fremden, zu gelten schien und nicht der Frau, die sich hinter diesem Namen verbarg.
Die Freude und Genugtuung, die seine Entschuldigung bei mir bewirkt hatte, war verflogen und hatte wieder dem Zorn Platz gemacht. Doch diesmal hatte er nicht meinen Stolz als Mensch verletzt, jetzt hatte er die Frau in mir getroffen – und das war weit schmerzhafter!
In dieser Nacht fand ich wenig Schlaf, und seit langer Zeit wünschte ich mich wieder einmal nach Hause, ein Wunsch, den ich völlig verdrängt zu haben glaubte. Fast drei Monate war es jetzt her, seit ich in jener schicksalhaften Nacht Targil hierher gefolgt war, und ich hatte die Hoffnung auf eine Heimkehr tief ihn mir begraben. Doch in dieser Nacht weinte ich wieder um alles, was ich dort zurückgelassen hatte.
Am nächsten Morgen war daher meine Laune auf dem Nullpunkt, und da ich mich schlecht verstellen kann, bekam jeder es sofort mit. Targil und die Deina schoben es auf die Auseinandersetzung vom Tag vorher und versuchten, mich zu beschwichtigen und aufzuheitern. Nur Rowin schaute mich mit einem eigenartigen Blick an, als versuche er, den tieferen Grund dieser Übellaunigkeit herauszufinden, die keiner der drei an mir gewohnt war. Ja, ich war vielleicht hier und da niedergeschlagen gewesen, wenn mir die Ausweglosigkeit meiner Lage bewußt wurde, aber daß ich mürrisch und gereizt reagiert hätte, kannte keiner von ihnen. Ich war mit mir selbst unzufrieden, konnte mich selbst nicht leiden, und als der Abend herauf zog, waren mein Zorn und meine Verzweiflung in eine tiefe Melancholie übergegangen. Als wir nach dem Abendessen noch zusammensaßen – was wir stets taten, wenn es Rowins Zeit zuließ – war ich daher einsilbig und eine schlechte Gesprächspartnerin. So kam es, daß Targil und Deina die Unterhaltung fast ausschließlich allein bestritten und sich dann nur noch mit sich selbst beschäftigten. Sie hatten heute sowieso ausgesprochen viel miteinander geflüstert und geschmust.
Da ich mich nicht an der Unterhaltung beteiligte, schien es Rowin zu langweilig zu werden. Er erhob sich und ging hinaus. Nach einer Weile hatte auch ich das Gefühl, es in diesem Zimmer nicht mehr auszuhalten. Somit stand auch ich auf und ging zu den Räumen, deren Fenster und Türen auf den Park hinausgingen. Ich wollte allein sein, und dafür erschien mir ein Spaziergang im Garten in der milden Abendluft genau das Richtige zu sein. Als ich die Tür zu der großen Terrasse öffnete, hörte ich die vollen Akkorde einer valaminischen Laute. Eine sanfte Melodie schwebte durch den Park, und ich trat hinaus, um mehr davon zu hören. Der Lautenspieler mußte auf den Stufen sitzen, die in den Park hinab führten. Ich ging zu Balustrade, um zu sehen, wer dem Instrument so herrliche Klänge entlockte. Fast wäre mir ein Ausruf des Erstaunens entfahren, denn es war Rowin, der dort saß. Er war völlig in sein Spiel versunken und hatte mich
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