Das Traumtor (German Edition)
nicht zu, daß ich nachgab. Den Triumph, mich klein beigeben zu sehen, konnte ich ihm nicht gönnen!
Drei Stunden lang saß ich ihn banger Erwartung in meinem Zimmer. Aber außer, daß mir einer der Diener eine Mahlzeit brachte, die ich nicht anrührte, geschah nichts. Deina kam nicht wieder, und ich erhielt auch keinen Befehl, nach unten zu kommen. Wollte Rowin mich langsam weich kochen? Glaubte er, daß ich irgendwann von allein wieder käme, wenn er mich ignorierte? Da würde er sich aber geschnitten haben!
Bis unter die Kinnbacken angefüllt mit Zorn und Trotz und unglücklich bis in den tiefsten Winkel meines Herzens lag ich auf meinem Bett und starrte in die flackernden Flammen der Kerzen, als es leise an meiner Tür klopfte. Ich nahm an, daß es Deina war, und da ich nicht wieder abgeschlossen hatte, rief ich: „Herein!“ Doch dann fuhr ich erschrocken hoch. Im Türrahmen stand Rowin.
„Darf ich hereinkommen, Athama?“ fragte er.
„Wie könnte ich dem König verbieten, eines der Zimmer in seinem eigenen Palast zu betreten?“ sagte ich kalt, obwohl mir das Herz bis zum Hals schlug. Er tat, als über-höre er meinen sarkastischen Ton und schloss die Tür hinter sich. Ich erhob mich und versank vor ihm in einem tiefen Hofknicks:
„Was befehlt Ihr Eurer gehorsamen Dienerin?“ Fast hätte ich ‚Eurer Merkwürden‘ an-gefügt, doch ich konnte mich noch rechtzeitig bremsen. Das hier war keine Komödie, sondern konnte leicht bitterer Ernst werden, wenn ich es zu weit trieb.
„Laß den Unsinn, Athama!“ sagte er da auch schon, und ich spürte, daß ich den Bo-gen schon fast überspannt hatte. „Ich bin gekommen, um mich bei dir für meinen unbeherrschtes Verhalten heute Nachmittag zu entschuldigen“, fuhr er fort. „ Somit siehst du, daß auch ein König sehr wohl zugeben kann, wenn er im Unrecht ist. Doch ich war wütend, daß du meine Sorge um dich als Kinderei abtatest, wo ich wirklich nur auf deinen Vorteil bedacht war. Athama!“ Er trat einen Schritt näher und legte mir die Hände auf die Schultern. „Ich sorge mich wirklich um dich! Zuerst habe ich tatsächlich unserer Übungsstunden nur als Spiel und angenehmen Zeitvertreib angesehen, und ich muss gestehen, daß sie mir wohl wirklich mehr Spaß bereitet haben als dir. Aber ab dann hatte ich einen Traum, einen schrecklichen Traum, Athama! Ich sah, wie viele dunkle Gestalten dich und mich umringten. Sie griffen uns an, und du versuchtest, dich zu verteidigen. Aber schon schlug dir einer die Waffe aus der Hand, und sein Schwert drang tief in deine Brust. Zwar gelang es mir, die Mörder zu vertreiben, aber du verblutetest in meinen Armen. Es war entsetzlich, Athama, und da beschloss ich, dich so weit zu schulen, daß du eine Chance haben würdest, falls so etwas einmal tatsächlich geschehen würde. Darum nur bin ich so hart mit dir umgesprungen und wurde darum so zornig, als ich merkte, daß es für dich nur ein hübsches Spiel war. Aber du hast trotz allem viel gelernt, wie ich am eigenen Leib erfahren musste.“ Er lächelte und fuhr sich mit der Hand über die Schulter, wo ihn meinen Hieb getroffen hatte.
„Warum hast du mir das alles nicht erzählt?“ fragte ich, versöhnt durch seine Entschuldigung.
„Weil du mich vielleicht ausgelacht hättest, und das hätte ich nicht ertragen“, gab er zu. „Du bist ganz anders aufgewachsen als wir und misst einem Traum keine große Bedeutung zu. Sei ehrlich, du hättest mich nicht ernstgenommen.“
„Das verkennst du mich doch wohl ein wenig, Rowin“, sagte ich. „Bedenke, daß ich dieser Welt, ihren Mythen und Sagen und ihrer Lebensweise genauso verbunden bin wie du, wenn auch vielleicht auf eine andere Art. Es wäre mir nicht eingefallen, dich auszulachen. Und ich verspreche dir, daß ich ab morgen doppelt so hart arbeiten werde, um deinen Ansprüchen gerecht zu werden und dir die Sorge um mich zu nehmen.“
„Dann sind wir also wieder Freunde?“ fragte er mit bittendem Lächeln. „Und ich brauche dir nicht zu befehlen, dich uns wieder anzuschließen? Ich muss ehrlich gestehen, daß mir das Essen heute Abend überhaupt nicht geschmeckt hat ohne deine Gesellschaft.“
„Verzeihst auch du mir, daß ich dich kränkte, als ich euch Barbaren nannte?“ fragte ich zerknirscht. „Du weißt, ich liebe Valamin genau wie ihr.“
„Ach, Athama!“ Seine Hände umfassten meine Schultern fester und er sah mir in die Augen. Ich spürte die Wärme seines Körpers und roch den herbfrischen
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