Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Treffen in Telgte

Das Treffen in Telgte

Titel: Das Treffen in Telgte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
Vom Netzwerk:
Harsdörffer und Hoffmannswaldau aufgesetzt, doch nach Dachs Willen nicht schon am Morgen hatten vortragen dürfen, lief das Interesse von der Wirtin weg und entzündete sich an der Not des Vaterlandes. Schließlich war man deswegen zusammengekommen. Es galt, sich vernehmlich zu machen. Wenn keine Regimenter, so konnten sie doch Wörter aufbieten.
    Weil Rist als erster las, begann der Aufruf mit Donnerwort: »Teutschland, das herrlichste Kaiserthumb der Welt, ist nun mehr auff den Grund außgemergelt, verheeret und verderbet, diß bezeuget die Warheit! Der grimmige Mars oder der verfluchte Krieg ist die allerschrecklichste Straffe und abscheulichste Plage, mit welcher Gott die übermachte Boßheit unzehliger Sünden des unbußfertigen Teuschlandes nunmehr balde dreissig Jahre hat heimgesuchet. Diß saget die Warheit! Daß nunmehr daß höchstbedrängte und in den letzten Zügen liegende Vaterland mit dem alleredelsten Frieden widerumb beseeliget werden wolle. Weshalb zu Telligt, was nach alter Deutung junger Eichbaum heisset, die hieselbst versammelten Tichter beflissen sind, den teutschen und frembden Fürsten ihre Meynung fürzustellen und als Warheit zu verfestigen…«
    Dann zählte Moscherosch die Häupter der Parteien auf. Es wurden, voran der Kaiser, die Kurfürsten nach alter Ordnung (ohne Bayern, doch inbegriffen die Pfalz) mit aller Ehrerbietung genannt, die Hoffmannswaldau zierlich zu setzen gewußt hatte. Dann wurden die fremden Kronen angerufen, um gleich darauf allesamt, ob Deutsche, Welsche oder der Schwed, ohne Ansehen der Konfession verklagt zu werden, weil die Deutschen den fremdländischen Horden das Vaterland preisgegeben und die Fremden sich Deutschland zum Tummelplatz erkoren hätten, so daß es nun zerstückelt liege, ohne alte Ordnung alle Treu verloren habe und – nach Verlust seiner Schönheit – nicht mehr kenntlich sei. Einzig die Dichter, das sagte der Aufruf, wüßten noch, was deutsch zu nennen sich lohne. Sie hätten »mit vielen heißen Seufftzern und Zähren« die deutsche Sprache als letztes Band geknüpft. Sie seien das andere, das wahrhaftige Deutschland.
    Danach wurden (wieder von Rist, dann von Moscherosch) etliche Forderungen gereiht, darunter die Stärkung der Stände, der Verbleib Pommerns und des Elsaß beim Reich, die kurpfälzische Wiedergeburt, die Erneuerung des böhmischen Wahlkönigtums und – natürlich – die Freiheit jeglicher Konfession, die calvinistische mitgenannt. (Das hatten die Straßburger sich ausbedungen.) Auch wenn dieses Manifest – denn entschlossen laut wurde von Absatz zu Absatz der Text verlesen – zuerst Begeisterung bei der Versammlung auslöste, wurden doch bald Stimmen laut, die seine Anmaßung verringert, die Forderungen verkleinert, seinen praktischen Sinn deutlicher haben wollten. Wie erwartet, störte Gerhardt die besondere Erwähnung der Calvinisten. Buchner (zurück aus seiner Kammer) bemängelte (mit Blick auf Schütz) die zu scharfe Verurteilung Sachsens. Weckherlin sagte: Auf diesen Schrieb hin würde weder der Maximilian gegen die Hispanier, noch die hessische Landgräfin gegen die Schweden einen Streich tun. Außerdem sei die Pfalz auf immer dahin. Und Logau spottete: Wenn der welsche Kardinal solche Epistel zu lesen bekomme, werde er sogleich, bei Hinterlassung aller Beute, das Elsaß und Breisach räumen lassen. Desgleichen sehe er Oxenstierna, so treudeutsch angerufen, alle Lust an Pommern samt Rügen verlieren.
    Dagegen empörte sich Greflinger: Was der Schlaukopf gegen die Schweden habe. Hätte der heldische Gustav Adolf nicht über die Ostsee gesetzt, wäre selbst Hamburg pfäffisch geworden. Und hätten sich Sachsen und Brandenburg nicht immer wieder feige enthalten, wäre man mit dem Schwed bis über die Donau und weiter. Und hätten nicht Wrangels Reiter im Vorjahr noch Bayern besucht, würde ihm Regensburg, wo er hingehöre, auf immer verschlossen bleiben.
    Einzig der Schwed, rief Lauremberg, habe den Friedländer aus Mecklenburg geworfen. Richtig, riefen die Schlesier, wer, wenn nicht der Schwed, werde sie vor dem Pfaffentum schützen. Bei aller Besatzungspein habe man Grund, dankbar zu bleiben. Die Angriffe auf Schwedens Krone müßten raus aus dem Manifest. Erschrocken blieb der junge Scheffler stumm. Als Schneuber einwarf, dann müsse man auch den Franzos schonen, weil Frankreich entscheidend Spanien geschwächt habe, sagte Zesen, was eigentlich Rist hatte sagen wollen: Dann bleibe ja nichts mehr an Klage

Weitere Kostenlose Bücher