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Das Treffen in Telgte

Das Treffen in Telgte

Titel: Das Treffen in Telgte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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nach der düsteren Szene.
Da sich der alte Weckherlin, den die von Rede und Widerrede belebte Handlung des letzten Auftritts aus dem Schlummer geholt hatte, als erster zu Wort meldete, konnte ihn nur ein Mißverständnis so kühn gemacht haben. Er lobte den Schluß des Stückes und dessen Autor: Wie gut, daß die Ordnung erhalten bleibe und der versuchte Frevel fürstliche Gnade finde. Er hoffe, daß Gott dem armen England ähnlich behilflich werde. Dort treibe es Cromwell wie jener Balbus des Schauspiels. Man müsse bei Tag und Nacht um des Königs Wohl besorgt sein.
Barsch wurde der ordnungsliebende Staatssekretär vom Magister Buchner korrigiert: Es werde jedem aus dem Gehörten die kommende Katastrophe ruchbar geworden sein. Dieses in Deutschland einzige Trauerspiel zeuge von Größe, indem es nicht, wie hergebracht, einseitig schuldig spreche, sondern allseits des Menschen Hinfälligkeit und Schwäche, sein vergebliches Wohltun beklage: Es werde nur immer bestehende Tyrannei von kommender abgelöst. – Das dreisätzige, dem Chor der Höflinge übertragene Zungengleichnis lobte Buchner besonders, weil darin auf gelehrte Weise die schon bei Aristoteles belegte langzüngelnde Purpurschnecke emblematisiert sei. – Dann nahm der Magister, wie pflichtschuldig, doch noch ein wenig Anstoß an der zu häufigen Reimung von »todt vnd noth« und »Throne vnd Crone«.
Harsdörffer rügte als Patriot den fremdländischen Anlaß des Stückes: Jemand, der so sprachmächtig wie Gryphius sei, dürfe seine wortzwingende Kraft einzig der deutschen Tragödie, dem vaterländischen Trauerspiel geben.
Der Ort der Handlung bedeute nichts, sagte Logau, einzig die Machart zähle. Die müsse er ablehnen. Der übergroße Wortaufwand ersaufe in purpurner Brühe oder erdolche sich wechselseitig, wo doch der Autor den Purpur der Fürsten verklagen und deren ewiges Kriegsgeschäft widerlegen wolle. Zwar sage des Gryphius Vernunft Ordnung, doch sein Wortschwall schwelge im Aufruhr.
Teils der Sache wegen, mehr noch, um seinen Freund zu schützen, gab Hoffmannswaldau zu bedenken, daß Gryf nun mal so sei: ins Chaos vergafft. Seine Worte stünden dergestalt widersprüchlich zueinander, daß ihnen allzeit das graue Elend prächtig, die schöne Sonne zur Düsternis gerate. Mit Wortkraft lege er seine Schwäche bloß. Wäre er freilich, wie Logau, ärmer an Sprache, könnte er sich billig aus einer Szene drei Stücke schreiben.
Jaja, erwiderte Logau, ihm fehle des Gryphius Malkasten, er schreibe nicht mit dem Pinsel.
Mit der Feder wohl auch nicht, gab Hoffmannswaldau zurück, eher mit einem Stichelchen.
Dieses Geplänkel hätte andauern und die Gesellschaft noch eine Weile mit schnellem Witz unterhalten können, wäre nicht Heinrich Schütz zu Wort gekommen, der plötzlich stand und über die Köpfe der Poeten hinwegsprach: Er habe alles gehört. Die Gedichte voran, danach jene für Rollen aufgeteilte Sprache, die in Szenen gegliedert sei. Loben wolle er vorerst die klar und in schöner Blöße auftretenden Verse des jungen Studenten der Medizin, dessen Name ihm leider entfallen sei. Wenn jener also, wie er grad höre, Johann Scheffler heiße, werde er sich den Namen merken. Nach erstem Hören glaube er, eine achtstimmige, doppelchörige A-cappella-Musik etwa zum Vers über die Rose machen zu können oder über jenen Sinnspruch vom Zufall und Wesen, welcher laute: »Mensch werde wesentlich: denn wann die Welt vergeht, So fällt der Zufall weg, das Wesen das besteht.« Solche Wörter hätten Atem. Und wäre es nicht vermessen, wollte er sagen, Einsicht wie diese finde man ähnlich nur in der Heiligen Schrift.
Doch nun zu den anderen. Leider seien die Verse des jungen Birken an seinem Ohr vorbeigegangen. Er müsse das lesen. Erst beim Nachlesen erweise sich, ob der Wortklang nur Klingklang sei oder Sinnklang gebe. Weiterhin wolle er nicht verkennen, daß die Buhlliedchen des Herrn Greflinger, von denen ihm übrigens ähnliche aus der Ariensammlung seines Vetters Albert bekannt seien und an denen er – bei so viel Frevel ringum im Vaterland – keinen sittlichen Anstoß nehmen könne, zumindest jene Qualität hätten, welche beim Schreiben von Madrigalen benötigt werde. Diese Kunst sei, wie er leidvoll wisse, in Deutschland kaum einem Poeten geläufig. Wie gut habe es da der Monteverdi gehabt, dem Guarini die schönsten Stücklein geschrieben hätte, desgleichen Marino. Er wolle, um in die Gunst solcher Vorlagen zu kommen, dem jungen Mann raten,

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