Das Treffen in Telgte
habe man ihn unterwegs beworfen. Das alles wolle er vorzeigen zum Beweis. Schon könne man seine Leute draußen im Hof den Spieß drehen sehen. Das werde ein Fest geben, dem die versammelten Dichter nur noch etliche lucullische Doppelreime, epicurische Jamben, bacchantische Sinnsprüche, dyonysische Daktylen und platonische Gescheitheiten beisteuern müßten. Wenn schon nicht der Frieden, dann solle der Krieg in seinen letzten Zügen gefeiert werden. Man komme endlich in den Hof und staune, wie brav der Stoffel, den man von Böhmen bis in den Breisgau, vom Spessart runter bis ins platte Westfalen den Simpel nenne, für die teutsche Poeterey zu fouragieren beflissen gewesen sei.
Man brach nicht gleich auf. Dach bestand auf Ordnung. Er sagte, noch stehe es ihm zu, die Versammlung aufzulösen. Er werde weitere Wortmeldung und Gegenworte annehmen. Schließlich dürfe der Elbschwan nicht umsonst gesungen haben.
Also setzten wir wenige Wechselreden lang den Disput über Rists Szene und den landesweiten Sittenverfall fort. Gryphius gab zu bedenken, daß das dumpfe Publikum, sollte ihm dieses Schauspiel vorgesetzt werden, eher die Bauern als den Junker beklatschen werde. Moscherosch lobte, daß Rist den Mut gehabt habe, die gegenwärtige Not in Szene zu setzen. Aber, fragte Czepko sich und andere, habe der Bauer nicht Grund, die Wiederkehr der alten Ordnung zu fürchten? Ja, welche Ordnung man denn wolle, wenn nicht die gute alte? rief Lauremberg.
Um mit der Frage nach einer neuen, womöglich gerechten Ordnung dem Disput nicht abermals Reizfutter zu geben, und weil vom Hof her Bratendunst bis in die Diele strich, gab Simon Dach, als sich die Unruhe mehrte, das Zeichen zum Ende der nachmittäglichen Sitzung. Einige – nicht nur die Jungen – beeilten sich ins Freie. Andere nahmen sich Zeit. Zuletzt verließen Dach und Gerhardt, der nun endlich mit Schütz in ruhigem Gespräch wie versöhnt war, die Große Diele. Zurück blieb die Distel neben dem blanken Schemel. Draußen ging es wie in einem Festgedicht zu.
14
Da waren die fünf Gänse schon an einen, die drei Spanferkel an den nächsten gereiht, und der Hammel, mit Würsten gefüllt, drehte sich mit dem dritten Spieß. Der lange Tisch aus der Kleinen Wirtsstube stand an das Ufergebüsch des äußeren Emsarmes gerückt, so daß ihn der Qualm der Feuer, die mitten im Hof zu Glut kamen, nicht bestrich. Mit ihren Mägden eilte die Wirtin Libuschka zwischen Haus und Hof, um den Tisch zu bestellen. Bei näherem Hinsehen zeigten die Tischtücher, daß sie vormals einem Altar gedient hatten. Die Teller, Schalen, Krüge und Schüsseln mochten in ein westfälisches Wasserschloß gehören. Außer zweizinkigen Gabeln zum Anreichen lag anderes Besteck nicht bereit.
Zum gegenüberliegenden Stall wehte der Qualm und machte, daß dahinter die Ufererlen des inneren, die Stadt begrenzenden Emsarmes, die Giebel der Herrenstraße und seitab die Pfarrkirche wie verschleiert standen. Den Spießbraten saßen die Musketiere des Gelnhausen bei. Weil sie das tropfende Fett der Gänse, Ferkel und des Hammels in Häfen auffingen, konnten sie die Braten immer neu flomen, schmälzen und mit dem ausgelassenen Hammeltalg salben. Vom Wacholdergebüsch, mit dem der Emshagen bis zur Walkmühle wild zugewachsen war, holte der Pferdeknecht trockenes Gestrüpp, das den Feuern zeitweilig heftigen Qualm gab: flachgemalt lag die Stadt Telgte hinter dem bewegten Bild, in das sich die Hofköter, vereinzelt oder als Meute, immer neu stellten. (Später stritten sie um die Knochen.)
Indessen waren die Reiter des Gelnhausen dabei, auf frischgerammten Pfählen gemusterte Planen, wie vom Zelt eines hessischen Obristen, gleich einem Baldachin über den gedeckten Tisch zu spannen. Dann wurden Girlanden aus frischem Laub geflochten und mit Blumen durchwirkt, die im Garten der Wirtin als Buschrosen wucherten. Bald kletterten die Girlanden um die Pfähle des Baldachins. Dessen Ränder säumten lustige, zu Zöpfen geschnürte Fransen, an denen Schellen hingen, die später, als ein Lüftchen ging, zum Fest beitrugen.
Obwohl noch Tag war und der Abend erst zag beginnen wollte, holte Gelnhausen aus jenem Planwagen, dem am Frühmorgen angespannt worden war und der die Gänse, Ferkel, den Hammel, das Tafelgeschirr, die Altartücher und den Baldachin gebracht hatte, fünf schwersilberne Leuchter kirchlichen Urpsrungs, die noch mit Kerzen bestückt waren, kaum angebrannten. In schöner Ordnung reihte der Stoffel das
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