Das Treffen in Telgte
beeilte Nebenhandlung möglich.
Unterm Gelächter hatte indessen der »Elbschwan« zwischen Dach und der Distel den Schemel besetzt. So wurde Johann Rist, auf den »Boberschwan« Opitz anspielend, gelegentlich von Freunden gerufen, mit denen er als Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft als »Der Rüstige« korrespondierte. Alles an Rist war stattlich: sein nachhallender Predigerschwall, seine kammerherrlichen Auftritte, sein satter, marschländischer Humor, sein riesiges, immer mit bestem Tuch gekleidetes Gliederwerk, der Bart, die griffige Nase und selbst sein wässriger Blick, so tückisch er sein linkes Auge verengen konnte. Zu allem hatte er eine Meinung. Nichts kam ihm unwidersprochen davon. Immer in Fehden (nicht nur mit Zesen) verzettelt, blieb er doch fleißig auf seinen Papieren, in denen er nun, vorerst unentschlossen, zu kramen begann, bis er sich straffte, bereit.
Rist kündigte an, daß er dem Friedensschluß, welcher noch immer bei Waffenlärm ausgehandelt werde, voraus sein wolle und deshalb ein Schauspiel niederzuschreiben begonnen habe, welches »Das Friedejauchtzende Teutschland« heißen solle. Darin werde eine weibliche Hauptperson als »Die Warheit« auftreten. »Denn es muß euch doch die Warheit etliche Sachen verkünden oder anmelden, welche vielen von Hertzen lieb, vielen vielleicht nicht wenig Leid seyn werden. So mercket denn nun auff, ihr Teutschen!«
Er las einige Szenen des ersten Zwischenspiels, in denen ein kriegsmüder Junker im Gespräch mit zwei Bauern deren Sittenverfall beklagt. Die Soldaten haben die Bauern geschunden. Die Bauern haben der Soldateska das Leuteschinden abgeguckt. Sie stehlen, plündern, brandschatzen, saufen und huren wie diese. Deshalb fürchten sie den Friedenstag, der ihrem Lotterleben ein Ende bereiten könnte. Während die Bauern Drewes Kikintlag und Beneke Dudeldey ihr lustiges Leben als Wegelagerer und Saufköppe in brockigem Plattdeutsch preisen – »… wat hebben wy usk üm den Krieg tho schehren? Krieg hen, Krieg her, wenn wy in uses Krögers, Peter Langwammes, synem Huse man frisk wat tho supen hebbet…« – entrüstet sich der Junker in gestelztem Kanzleideutsch: »Ey behüte mich der höheste Gott, was höre ich? Wollet ihr elende Leute noch lieber unter den hefftigen Kriegspressuren leben, als unter eurer ordentlichen Obrigkeit in gutem Glükke, erwünschtem Friede und stiller Ruhe sitzen?« Aber den Bauern ist die regellose Kriegszeit lieber als das zu erwartende Steuernpressen nach ausbrechendem Frieden. Sie fürchten die alte Ordnung und deren Wiederkehr als neue Ordnung. Die von wechselnden Heerhaufen auferlegten Kriegskontributionen sind ihnen leichter als die zukünftige Steuerlast.
Rist las die kurze Szene, in der, wie mit verkehrten Rollen, der Offizier zum Frieden mahnt, die Bauern den Krieg verlängern wollen, geschickt wie ein Schauspieler, der sich die eine, die andere Maske vors Gesicht hält. Schade, daß nur wenige dem holsteiner Plattdeutsch folgen konnten. Nach seiner Lesung mußte der Autor für Moscherosch, Harsdörffer, Weckherlin und für die Schlesier die deftigsten Passagen übersetzen, wobei sie an Saft verloren und papieren wie des Junkers Rede wurden. Deshalb entzündete sich der Disput weniger an der Szene des Friedenspiels, mehr an der allgemeinen Sittenlosigkeit.
Jeder wußte schlimme Beispiele: Wie man in Breisach, als es belagert wurde, streunende Kinder abgeschlachtet habe. Wie sich der Pöbel, wo die Ordnung hätte flüchten müssen, herrisch aufspiele. Wie städtisch geputzt der lausigste Bauerntölpel daherstolziere. Und jeder wußte von Wegelagerern im Fränkischen, in der Mark, hinter jedem Busch. Zum zehnten Mal klagte Schneuber, wie er mit Moscherosch, von Straßburg her unterwegs, ausgeraubt worden sei. Von bereits gehenkten und noch freilaufenden Übeltätern war die Rede. Das wüste Fouragieren der Schweden wurde verklagt. Doch während die Schlesier noch vielstimmig Bericht gaben und sich in schrecklichen Einzelheiten (Schwedentrunk, Füße im Feuer) verloren, platzte, nachdem ich schon länger Lärm von draußen (die kläffenden Hofköter) gehört hatte, der Regimentssekretär in die Versammlung hinein.
Noch im grünen Wams, die Feder am Hut, sprang er zwischen die Herren, salutierte nach kaiserlicher Manier und rief das Ende der Grützsuppenzeit aus. Er habe dem schmalhansigen Elend den Schlußpunkt gesetzt. Ihm seien fünf Gänse, drei Ferkel und ein fetter Hammel zugelaufen. Mit Würsten
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