Das Treffen
er nach Luft. Er hob den Kopf und sah sie durch dicke, nasse Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht gefallen waren, an.
»Ich … war's … nicht«, keuchte er.
Mit einem Mal schnellte sein Kopf hoch. Sein rotes, verschwitztes Gesicht verzog sich zu einer Grimasse der Verzweiflung.
Abilene konnte sich den Grund dafür schon denken.
Sie fragte sich, ob sie genug Energie aufbringen konnte, um den Kopf zu drehen, damit sie Vivian und Finley sehen konnte, die ihr zu Hilfe eilten.
Dann war der Junge plötzlich neben ihr und hielt ihr die Messerklinge an die Kehle.
32
Der Junge kniete neben Abilenes Schulter, bedrohte sie mit dem Messer und starrte Finley und Vivian an, die soeben hinzugestoßen waren.
In der einen Hand hielt Finley das rostige Messer, in der anderen einen Wasserkanister.
Vivian hatte Abilenes Mokassins und eine karierte Bluse in Händen.
»Haut ab«, sagte der Junge. »Lasst mich zufrieden.«
Finley ließ das Messer fallen. »Nur die Ruhe.«
»Wo ist Cora?«, fragte Vivian.
»Sie ist … in Sicherheit«, sagte Abilene mit keuchender Stimme.
»Ich will nach Hause«, sagte das Kind. »Ich hab niemand was getan.«
»Wie heißt du?«, fragte Vivian.
»Jim.«
»Ich bin Vivian. Das hier ist Finley. Und das ist Abilene, unsere Freundin. Wir wollen dir auch nichts tun. Warum legst du nicht das Messer weg? Du kannst ruhig abhauen. Wir werden dich nicht aufhalten.«
»Tut ihr doch. Ihr glaubt, ich hätt sie umgelegt.«
»Und, hast du?«, fragte Finley.
»Ich war's nicht. Hab ich doch schon gesagt. Mein Bruder Hank, der war's. Er ist irre. Ich wollt euch nur Angst machen, damit ihr abhaut. Damit er euch nichts tut.«
»Hast du gestern Nacht unsere Sachen ins Wasser geworfen?«, fragte Vivian.
Er nickte. »Um euch Angst zu machen. Ich hab nichts geklaut. Ehrlich.«
»Ist schon in Ordnung«, sagte Vivian. »Das ist nicht so schlimm.«
»Hab nichts genommen.«
»Was ist mit den Autoschlüsseln?«, fragte Finley.
»Hab keine Schlüssel gesehen. Und mitgenommen schon gar nicht.«
»Was hast du dann mitgenommen?«
»Nichts!«
»Halt dich zurück, Fin«, zischte Abilene.
»Der lügt doch wie gedruckt.«
»Er wird mir gleich die Kehle aufschlitzen, du blöde Gans.«
»Wird er nicht. Und wenn doch, bringe ich ihn um. Und das willst du doch nicht, oder, Jim? Was hast du mitgenommen?«
»Nichts.« Seine Stimme klang, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen. »Nur … nur ein Ding. Aber nichts von deinen Sachen. Du trägst so was nich.«
»Einen BH?«, fragte Finley.
»Ja. Ihren.« Er sah Vivian an. »Hab ich nur mal … geliehen.«
Vivian verzog für einen Augenblick das Gesicht, dann zwang sie sich zu einem Lächeln. »Geht schon in Ordnung, Jim. Du kannst ihn behalten.«
»Hab ich nich mehr. Hank hat ihn mir weggenommen.« Seine Lippen zitterten. »Ich musste ihm verraten, wo ich ihn gefunden hab.«
»Wann?«, fragte Finley.
»Gestern Nacht. Ich wollt's ihm nicht sagen, aber er hat mich gezwungen. Dann ist er losgezogen. Ich hab gedacht, dass er euch alle umlegt. Aber er hat nur die Dicke erwischt. Tut mir echt leid.« Jim fing an zu weinen. »Ich hab versucht, euch Angst zu machen … aber ihr wolltet ja nich abhauen. Er … er wird euch alle fertigmachen, wenn ihr hierbleibt. Haut ab! «
Jim nahm das Messer von Abilenes Kehle und ließ sie los. Während sie sich aufsetzte, ließ er das Messer auf den Boden fallen. Mit hängendem Kopf saß er da.
Erleichtert rappelte Abilene sich auf. Ihr Rücken juckte fürchterlich, aber sie war zu erschöpft, um irgendetwas dagegen unternehmen zu können.
Jeder Muskel zitterte. Gänsehaut überzog ihren schweißnassen Körper. Sie bemerkte, dass sich ihre Brustwarzen aufgerichtet hatten. Na toll, dachte sie, und sah zu Finley und Vivian hinüber, die sie mit ernstem Gesichtsausdruck ansahen. Sie erwartete, dass Finley einen blöden Kommentar loswerden würde.
»Das Blut ist doch hoffentlich seins«, sagte Finley.
»Ja«, antwortete sie leise und musterte ihre ausgestreckten Beine, die mit hellroten Schlieren bedeckt waren. »Alles von ihm.«
»Hat er dich verletzt?«, fragte Vivian.
»Wir haben nur … gerungen«, sagte sie. Abilene hätte sich zu gerne ihren Rock heruntergezogen, um ihr Höschen zu bedecken, war aber noch zu schwach dafür.
»Ich glaube … er wollte wirklich nur von hier verschwinden.«
»Was sollen wir mit ihm machen?«, fragte Finley.
»Wir lassen ihn gehen«, sagte Vivian.
»Das ist keine so gute Idee«, sagte
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