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Das Treffen

Das Treffen

Titel: Das Treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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dahinter eine tiefe Schlucht gähnte.
    Der Wagen hüpfte und ruckelte. Ab und an hörte Abilene, wie dürre Zweige gegen die Seite kratzten.
    Mit zusammengebissenen Zähnen umklammerte sie fest ihre in Kordhosen steckenden Beine und hielt den Atem an.
    Wir fahren immer weiter nach unten, dachte sie. Irgendwann müssen wir doch das Ende erreicht haben. Oder zumindest eine einigermaßen ebene Fläche, auf der wir die Nacht verbringen können.
    Wenn wir dann noch leben.
    Eine Haarnadelkurve zwang sie, die Richtung zu ändern. Die felsige Böschung ragte nun vor Abilenes Fenster auf. Jetzt fühlte sie sich etwas sicherer – sie konnte die dürren Büsche fast berühren.
    »Das gefällt mir überhaupt nicht«, sagte Cora. Offensichtlich genoss sie die Vorstellung, an einem Abgrund entlangzufahren, nicht besonders.
    »Du schaffst das schon«, sagte Vivian.
    »Vielleicht solltet ihr aussteigen und vorausgehen.«
    »Das Schlimmste haben wir hinter uns«, glaubte Abilene. »Wir müssten jeden Moment unten ankommen.«
    »Denk mal nach«, sagte Finley. »Wenn wir da unbeschadet ankommen, musst du den ganzen Weg wieder hochfahren.«
    »Früher oder später«, sagte Abilene.
    »Auf keinen Fall heute Abend«, sagte Cora. »Vergesst das lieber. Wo immer wir jetzt auch landen, da bleiben wir, bis sich der Nebel verzogen hat.«
    »Ich glaube, wieder hochzufahren, ist einfacher.«
    »Es ist doch gut, wenn wir nicht sehen, wo wir hinfahren«, sagte Finley. »Sonst brächten wir am Ende gar nicht den Mut auf …«
    »Schluss jetzt!«, rief Cora.
    Abilene sah, dass sich ein verschwommener, dunkler Umriss im grauen Einerlei abzeichnete. Ein Baum?
    Als sie weiterfuhren, kamen sie an weiteren Bäumen vorbei, die ständig größer zu werden schienen.
    Langsam ließen sie die karge Hügellandschaft hinter sich, und bald hatten sie wieder ebenen Boden erreicht.
    Abilene schlug Cora auf den Schenkel.
    »Kinderspiel«, sagte Cora.
    »Gut gemacht«, sagte Finley.
    »Himmel«, sagte Helen. »Ich hätte nicht gedacht, dass wir's schaffen.«
    »Können wir jetzt anhalten?«, fragte Vivian.
    »Fahren wir noch ein Stück«, sagte Cora. »Ich glaube, das Meer ist nicht mehr weit entfernt. Ich will so nah wie möglich ans Wasser. Vielleicht finden wir auch einen Strand.«
    Sie fuhr langsam weiter. Abilene konnte Pinien, Felsbrocken und umgefallene Baumstämme im nebligen Dickicht erkennen.
    Sonst nichts.
    Bis plötzlich das Heck eines Pick-ups neben ihrem Seitenfenster aus dem Nebel auftauchte. Einen Augenblick lang konnte sie den grünen, mit Rostflecken übersäten Lack, ein zerbrochenes Rücklicht und eine geöffnete Heckklappe erkennen – dann waren sie auch schon daran vorbei.

35
    Coras Ausflug
    »Habt ihr das gesehen?«, fragte Abilene.
    »Was?«
    »Das Auto!«
    »Du siehst Gespenster, Hickok.«
    »Wirklich! Es stand da hinten neben der Straße.«
    »War jemand drin?«, fragte Cora.
    »Keine Ahnung. Ich konnte nicht mal die Ladefläche sehen. Sah aber ziemlich mitgenommen aus. Vielleicht hat es jemand dort einfach stehen lassen.«
    »Na toll«, sagte Cora. »Eine echte Sensation.«
    »Ich weiß nicht so recht«, sagte Vivian. »Wenn noch jemand hier unten ist …«
    »Wenn du glaubst, dass ich jetzt umkehre, hast du dich aber geschnitten.«
    Die Straße wurde breiter und verwandelte sich in eine asphaltierte, weite Fläche.
    »Was ist denn das?«, fragte Cora.
    »Ein Parkplatz?«, mutmaßte Abilene.
    »Sieht aus wie … Genau!«, sagte Cora, als ein bleicher Holzzaun vor ihnen auftauchte und den Weg versperrte. Sie hielt an und schaltete Scheinwerfer und Motor ab. »Also, Leute, da wären wir.«
    »Wo immer das auch sein mag«, sagte Vivian.
    »Hoffentlich ist das kein Privatbesitz«, befürchtete Helen.
    »Hoffentlich sind uns die Eingeborenen nicht feindlich gesinnt«, ergänzte Finley.
    »Steigen wir aus und sehen wir uns mal um.«
    Abilene öffnete die Tür und sprang aus dem Wohnmobil. Der feste Erdboden war mit Sand bedeckt. Obwohl sie nur wenige Meter weit sehen konnte, hörte sie die Rufe der Möwen und das entfernte, gedämpfte Donnern der Wellen, die gegen den Strand gespült wurden.
    »Wir sind wirklich am Wasser«, sagte sie, als die anderen ausgestiegen waren.
    »Vielleicht sind wir genau unter der Brücke von vorhin«, überlegte Cora.
    Falls das stimmte, war von der Brücke jedenfalls nichts zu sehen.
    Finley balancierte auf einem Querbalken des Holzzauns, beide Arme weit ausgestreckt, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Als

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