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Das Treffen

Das Treffen

Titel: Das Treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Abilene, obwohl ihr die ganze Sache nicht so recht schmecken wollte. Finley hatte jetzt mehr als einmal gezeigt, dass sie nur zu leicht die Beherrschung verlor. Wer wusste, was sie alles mit der Schrotflinte anstellen würde. Die Waffe wäre bei jemandem mit etwas mehr Selbstkontrolle sicher besser aufgehoben.
    Aber bei wem? Cora hatte recht. Mit ihrem gebrochenen Knöchel besaß sie kaum die nötige Bewegungsfreiheit. Vivian wollte weder auf Hank noch auf sonst jemanden schießen, und Abilene dachte genauso.
    Und Jim würden sie das Ding sicher nicht anvertrauen,
    auch wenn er noch tausendmal beteuerte, wie sehr er seinen Bruder hasste.
    Blieb wohl oder übel nur noch Finley übrig.
    »Sind noch irgendwelche anderen wichtigen Entscheidungen ohne mich getroffen worden?«
    »Jetzt reg dich doch nicht auf«, sagte Finley. »Du hast geschlafen wie ein Stein. Wir wollten dich nicht wecken.«
    »Wir haben beschlossen, uns auf der Galerie über der Lobby zu verschanzen. Da haben wir alles im Blick und sind nicht so leicht zu schnappen. Hank müsste schon die Treppe raufkommen.«
    »So kann er uns nicht in den Rücken fallen«, fügte Vivian hinzu.
    »Jim ist der Köder«, sagte Cora. »Er wird sich mitten in die Lobby stellen. Und wenn Hank dann auf ihn zukommt …«
    »Peng!«, rief Finley aus.
    »Ein guter Plan«, gab Abilene zu. Am besten daran gefiel ihr, dass sie nicht im Mittelpunkt des Geschehens sein würde. Selbst wenn Finley vorbeischoss, hätte sie noch genug Zeit, um nachzuladen, bevor Hank die Treppe heraufkam – besonders, wenn sie sich ganz am Ende der Galerie versteckten.
    »Das Problem ist«, sagte Finley, »Hank in die richtige Position zu locken.«
    Cora nickte. »Wir wissen nicht, auf welchem Weg er die Lodge betreten wird – durch die Becken, vielleicht sogar über den ersten Stock. Aber er muss in die Lobby kommen, wenn unser Plan funktionieren soll.«
    »Ich werde nach ihm rufen«, sagte Jim. »Sobald ich weiß, dass er in der Nähe ist, brüll ich los. Ich lock ihn zu mir.«
    »Und dann heißt es Adios, Arschloch.«
    »Klingt gut«, sagte Abilene. »Wenn es denn klappt.«
    »Das klappt schon«, sagte Finley.
    »Was, wenn er auch ein Gewehr hat?«, fragte Vivian.
    Diese Frage traf Abilene völlig unvorbereitet. Daran hatte sie überhaupt nicht gedacht.
    Ihre Freundinnen auch nicht, den erstaunten Gesichtern nach zu schließen.
    »Wir müssen eben schneller sein als er«, sagte Finley nach einer Weile.
    »Hat er ein Gewehr?«, fragte Abilene und sah Jim mit ernster Miene an.
    »Möglich. Wir haben ein paar Flinten. Aber letzte Nacht hat er keine mitgenommen. Nur sein Messer. Sonst nichts.«
    »Und das hat er in Helen stecken gelassen«, sagte Cora mit finsterer Stimme.
    »Ah, aber er hat ganz viele Messer. Er schlitzt so gern … Leute auf. Glaub nich, dass er sich den Spaß verderben will, indem er gleich losballert.«
    »Reizend«, sagte Finley.
    Sie schwiegen.
    Ob sie gerade an Helen denken?, überlegte Abilene. Oder sich fragen, wie sich eine Messerklinge zwischen den Schulterblättern wohl so anfühlte?
    Wahrscheinlich so heiß wie ein glühender Schürhaken.
    Oder kalt. Eiskalt.
    Und außerdem würde Hank ihnen das Messer auch nicht zwischen die Schulterblätter rammen. Sondern ganz woanders hin.
    »Wir sollten uns besser fertig machen«, sagte Cora und unterbrach Abilenes Grübelei, wofür diese durchaus dankbar war. »Die Sonne geht unter. Er ist womöglich bereits auf dem Weg.«
     
    Im Inneren der Lodge war es viel dunkler als draußen. Abilene ging vor und ließ das Licht der Taschenlampe durch die Lobby wandern. Die Stützbalken warfen tiefe Schatten auf den Boden. Eiskalt lief es ihr den Rücken hinunter, und ihre Nackenhaare stellten sich auf.
    »Steh nicht einfach nur rum«, sagte Cora.
    »Er ist noch nicht hier. Bestimmt nicht.«
    Abilene eilte nach links und beleuchtete die Treppe. Nichts. Unter der Treppe befand sich ein dunkler Schattenbereich, was ihr gar nicht gefiel. Sie ging ein Stück zur Seite und sah die anderen an. Jim stand mit Cora auf dem Rücken neben ihr. Finley trug die Schrotflinte, Vivian die andere Taschenlampe. Sie zog die Tür hinter sich zu.
    Abilene ging die Treppe hinauf und leuchtete Jim.
    »Alles klar?«, fragte sie flüsternd.
    »Geht schon.«
    »Fall bloß nicht hin.«
    »Bitte nicht«, sagte Cora zustimmend.
    Abilene musste sich zusammenreißen, um die Taschenlampe nicht sofort auf die dunkle Galerie zu richten, aber Jim durfte auf keinen Fall stolpern,

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