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Das Treffen

Das Treffen

Titel: Das Treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Hüften.
    Abilene konnte es Finley nicht verdenken, dass sie einen begehrlichen Blick auf ihn geworfen hatte.
    Er war schlank und attraktiv, und man konnte die Tatsache, dass er so gut wie nackt war, schlecht leugnen. Außerdem hatte er den größten Teil seines Lebens in der Wildnis zugebracht. Er hatte etwas von einem urwüchsigen, primitiven Eingeborenen, obwohl er gleichzeitig verletzlich, scheu und liebenswürdig wirkte.
    Er tat ihr leid. Seine ganze Familie war gestorben – mit Ausnahme seines irren Bruders. Ein Wahnsinniger, der Jim dazu zwang, ihm die Augen auszulecken, und noch weitaus Schlimmeres mit ihm anstellte. Offensichtlich missbrauchte er ihn.
    Jim führte ein hartes, seltsames Leben.
    Einerseits fürchtete sie seine wilde Seite, andererseits wollte sie ihn in den Arm nehmen und trösten. Und schließlich gab es da noch das Verlangen, ihm die Hose vom Leib zu reißen und über ihn herzufallen.
    Kein Wunder, dass Finley plötzlich so nett zu ihm war.
    Abilene schaltete die Taschenlampe ein und richtete den Strahl auf Jim. Er sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. Seine Haut glänzte, als wäre sie mit Öl eingerieben. »Alles klar da unten?«, fragte sie.
    »Ja. Danke.«
    Als Finley und Vivian die Galerie erreicht hatten, schaltete sie die Lampe aus und gab Finley das Gewehr zurück.
    Finley ging an ihr vorbei, lehnte sich gegen das Geländer und spähte hinunter.
    Vivian ließ sich Cora gegenüber nieder.
    Abilene saß im Schneidersitz neben Coras Füßen. Durch die Streben konnte sie Jim erkennen, der an den Pfosten gefesselt war, als hätten Indianer ihn gefangen genommen und würden ihn martern oder bei lebendigem Leib verbrennen wollen.
    Verbrennen. Wie eine Hexe.
    Eine männliche Hexe nennt man Zauberer, dachte sie.
    Was von beiden Batty wohl war?
    Beim Gedanken an Battys Fluch erschauerte sie. Da kann ich meinen Vorrat wieder ordentlich auffüllen. Damit hatte er auch auf Finleys Brust angespielt. Und die hier schneid ich einfach ab.
    Als hätten wir nicht schon genug Probleme, dachte Abilene und versuchte, den Gedanken an Batty aus ihrem Kopf zu verdrängen.
    Ich habe seinen Arm gebrochen. Er kann uns nichts tun. Sie kann uns nichts tun. Es.
    Außer durch Hexerei …
    Vergiss das schnell wieder.
    Konzentrier dich auf Hank.

38
    Die Fenster in der Lobby, durch die vor Kurzem noch trübes Licht gedrungen war, waren inzwischen pechschwarz. Abilene beobachtete sie durch die Streben des Holzgeländers. Sie versuchte, auch die Tür im Auge zu behalten. Zwar wusste sie, wo sie sich ungefähr befand, konnte sie aber in der Dunkelheit nicht erkennen.
    Wenn sie geöffnet wird, bekomme ich es auf jeden Fall mit, dachte sie. Obwohl sie stark bezweifelte, dass Hank die Lodge durch die Vordertür betreten würde.
    Ab und an ließ sie den Blick durch den Raum schweifen, von der Treppe auf der einen zum Kamin auf der anderen Seite. Nicht, dass sie Treppe oder Kamin hätte sehen können. Alles, was sie erkennen konnte, waren die verschwommenen Konturen der etwa ein Dutzend Stützpfeiler. Ihr Holz schien um eine Schattierung heller als die Wandverkleidungen und Bodendielen zu sein, aber so unmerklich, dass sie praktisch verschwanden, wenn Abilene sie lange genug anstarrte.
    Die Pfosten verursachten ein ungutes Gefühl bei ihr. Es kam ihr vor, als bewegten sie sich und verschwänden in den Schatten. Und jeden Moment konnte jemand dahinter zum Vorschein kommen.
    Immer mal wieder, wenn sie sich von ihrer Wache ablenken wollte, warf sie einen Blick auf Jim.
    Er war den Pfeiler heruntergerutscht und hatte sich auf den Boden gesetzt.
    Von ihm konnte sie nur seine bloße Haut undeutlich erkennen. Er hatte die Beine ausgestreckt. Da, wo sich seine Hose befand, war ein schwarzes Loch. Als wäre er in der Mitte durchtrennt worden und Torso und Beine lägen unverbunden einfach so herum.
    Keine schöne Vorstellung, dachte sie.
    Hoffentlich war alles in Ordnung mit ihm.
    Ihm geht's gut, redete sie sich ein. Hank wird ihm nichts tun. Der Wahnsinnige ist hinter uns her und nicht hinter seinem Bruder.
    Außer er findet irgendwie raus, dass Jim mit uns unter einer Decke steckt.
    Aber wie?
    Finley wird ihn sofort erschießen, wenn er auftaucht.
    Finley saß mit der Schrotflinte über die Beine gelegt neben Vivian. Ihr Safarihemd und die Shorts hatten genau dieselbe Farbe wie ihre gebräunte Haut, sodass Abilene nur mit Mühe ausmachen konnte, wo der Stoff endete und ihr Körper anfing. Als Abilene sie ansah, wandte sie sich

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