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Das Treffen

Das Treffen

Titel: Das Treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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könnte direkt mit gezücktem Messer hinter Vivian stehen. Wenn er dunkle Kleidung trägt …
    Dann könnte man aber seine Augen erkennen. Ohne Lider wären sie ja wohl kaum zu übersehen. Große, weiße Kugeln …
    Nein, rot. Jim hat von roten Augen gesprochen.
    Coras Shorts sind auch rot, und die kann man überhaupt nicht sehen.
    Abilene griff in ihren Schoß und legte die Hand um die Taschenlampe. Sie hob sie hoch und richtete sie auf Vivian.
    Bevor sie sie einschalten konnte, packte jemand ihren linken Arm. Abilene zuckte zusammen.
    »Was hast du vor?«, flüsterte Finley.
    »Ich muss unbedingt was nachsehen.«
    »Psssst«, ertönte eine Stimme.
    »Er könnte hier sein.«
    »Schalt bloß die Lampe nicht ein.«
    »Scheiße.«
    »Psssssst!«
    Abilene legte die Lampe zurück in ihren Schoß und seufzte. Wahrscheinlich ist er gar nicht hier oben. Wahrscheinlich. Wir hätten ihn gehört, und er würde ja auch kaum dumm herumstehen und uns beobachten. Wäre er wirklich hier, hätte er längst gehandelt – zum Beispiel, indem er entweder Vivian das Messer in die Brust rammte oder Cora die Kehle durchschnitt.
    Also ist er nicht hier oben.
    Noch nicht.
    Höchstwahrscheinlich.
    Endlich gelang es Abilene, sich etwas zu beruhigen.
    Die Zeit verging. Die Mädchen rutschten unruhig herum. Cora streckte ihr Bein aus. Sie setzte sich auf, legte einen Arm um das Geländer und spähte hinunter. Vivian zog die Knie an, und ihr Shirt berührte den Boden. Finley stand eine Weile aufrecht da, dann ging sie wie ein Baseballschiedsrichter in die Hocke.
    Abilene bemerkte, dass ihre Beine und ihr Hinterteil taub geworden waren. Sie rutschte vom Geländer weg und lehnte sich zurück. Anstatt der Wand berührte ihr Rücken eine Tür. Sie lehnte sich dagegen und streckte sich.
    Das war gleich viel besser.
    Bald ließ auch der prickelnde Schmerz in ihren Beinen nach.
    Von hier aus konnte sie die Lobby nicht einsehen, genau wie Vivian, die neben ihr lag.
    Aber Cora und Finley hielten ja Wache. Außerdem war Jim da unten.
    Hoffentlich ist er nicht eingeschlafen, dachte sie.
    Aber selbst wenn er wach ist, ist er der Letzte, der mitbekommt, ob sich Hank anschleicht oder nicht.
    Sollte sich Hank entschließen, die Lodge über die rückwärtige Veranda zu betreten, war der ganze Plan im Eimer. Er konnte die Tür am Ende des Korridors benutzen. Oder sich, wie Abilene gestern, durch eines der zerbrochenen Fenster zwängen. In den Raum mit dem Eichhörnchen zum Beispiel.
    Dann würde er den Gang entlangschleichen und wäre im Nu bei uns auf der Galerie.
    Warum musste sie gerade jetzt an so etwas denken?
    Die Türen sind alle abgesperrt, fiel ihr ein.
    Und wenn er einen Schlüssel hat?
    Hat er nicht. Höchstwahrscheinlich nicht.
    Außerdem konnte er ja wohl kaum eins der Zimmer betreten, ohne von ihnen bemerkt zu werden.
    Er könnte in diesem Moment genau hinter dieser Tür stehen.
    Unmöglich.
    Aber jetzt, wo ihr der Gedanke einmal gekommen war, wartete sie darauf, dass die Tür in ihrem Rücken aufgerissen und sie über die Schwelle fallen würde. Sie stellte sich vor, wie Hank aus der Dunkelheit auftauchte, ihre Arme packte und sie in den Raum zerrte. Bevor die anderen überhaupt reagieren könnten, hätte er schon die Tür zugemacht und sie ausgesperrt. Dann wäre sie ganz allein mit ihm in einem dunklen Zimmer.
    Blödsinn.
    Jetzt mach dich nicht verrückt.
    Aber es gelang ihr nicht, dieses Bild aus ihren Gedanken zu verscheuchen, und so rutschte sie von der Tür weg und lehnte den Rücken gegen die Wand. Mit einem Fuß stieß sie versehentlich gegen Finleys Hinterteil. Finley sprang wie vom wilden Affen gebissen auf und sah zu ihr herüber.
    Sie hat also auch Angst, dachte Abilene.
    Natürlich. Sie ist mutiger als wir alle, aber man musste schon ein verdammter Roboter sein, um in so einer Situation keine Angst zu haben.
    »Bist du's?«, ertönte Jims Stimme und ließ Abilene erschauern.
    Finley erstarrte und hob das Gewehr.
    Cora rollte sich zur Seite, hielt sich am Geländer fest und spähte hinunter.
    Vivian setzte sich rasch auf, das helle Shirt bewegte sich schemenhaft.
    Abilene zog die Füße an, packte die Taschenlampe und richtete sich langsam auf, wobei sie den Rücken gegen die Wand gepresst hielt. »Hierher!«, rief Jim. »Sie haben mich gefesselt.« Zitternd und mit wild klopfendem Herz machte Abilene einen Schritt nach vorn. Ein Bodenbrett knarrte unter ihrem Gewicht. Sie betete, dass Hank sie nicht gehört hatte, und machte noch

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