Das Treffen
Raum, bevor sie sich Vivian anschloss. Nach einigen Augenblicken folgte auch Abilene.
Vivian und Helen saßen neben dem Auto im Sonnenschein und sprachen flüsternd miteinander. Als sie Abilene bemerkten, sahen sie auf.
»Willst du wieder fahren?«, fragte Helen.
Abilene breitete achselzuckend ihre Bluse auf der Motorhaube zum Trocknen aus.
»Vivian schon«, sagte Helen.
»Ich fühle mich hier einfach nicht sicher.«
»Kann schon sein«, gab Abilene zu. »Ich weiß auch nicht.« Sie sah Helen an. »Du würdest lieber bleiben, oder?«
Helen verzog das Gesicht. »Nur für eine Nacht. Okay?«
»Was wird das hier, eine Meuterei?«, fragte Cora, die durch die Eingangstür gestürmt kam.
»Wir versuchen nur, unsere Situation realistisch einzuschätzen«, sagte Abilene.
Cora trottete, gefolgt von Finley, die Stufen hinunter.
»Wir sollten einfach ins Auto steigen und wegfahren«, sagte Vivian. »Wir müssen ja nicht gleich wieder nach Hause fliegen. Aber wir könnten uns doch ein nettes Motel suchen und von dort aus die nächsten Tage ein paar Ausflüge unternehmen.«
»Dieses Kind hat dir echt Angst gemacht, oder?«, fragte Cora.
»Alles hier macht mir Angst. Ich habe eine richtige Gänsehaut.«
»So soll's ja auch sein«, sagte Helen. »Deshalb habe ich den Ort hier ja ausgesucht.«
»Mir gefällt's hier«, sagte Finley und schwang sich auf die Motorhaube. Sie legte die Kamera weg und setzte sich neben Abilenes Bluse. Dann lehnte sie sich zurück, zog die Knie an und verschränkte die Arme unter dem Kopf. »Außerdem waren wir noch gar nicht im ersten Stock«, fügte sie hinzu.
»Wir sollten bleiben. Nur für heute Nacht«, sagte Helen.
»Nachts ist es bestimmt ganz toll hier«, stimmte Finley ihr zu. Es klang, als könnte sie die Dämmerung kaum abwarten.
»Was ist mit dir?«, fragte Cora Abilene.
»Helen hat sich die Mühe gemacht, diesen Ort für uns aufzuspüren. Außerdem sind wir ziemlich weit gefahren, um hierherzukommen.« Sie dachte einige Augenblicke nach. Die Lodge war wirklich unheimlich. Worauf sie persönlich nicht besonders scharf war – ihr gefiel eher die geheimnisvolle, nostalgische Atmosphäre, die Bilder längst vergangener Zeiten heraufbeschwor. Außerdem wollte sie unbedingt noch einmal in die Thermalquelle steigen – nachts musste das warme Wasser einfach wundervoll sein. »Ich bin dafür, eine Nacht hier zu verbringen«, sagte sie. »Probieren wir's einfach mal aus.«
»Ganz meine Meinung«, sagte Finley.
Abilene bemerkte, dass Vivian nicht gerade glücklich dreinblickte. »Ich weiß, dass du dir wegen dem Jungen Sorgen machst«, sagte sie zu ihr. »Aber wir werden die Augen offen halten. Wenn irgendwas passiert, hauen wir einfach ab.«
»Okay?«, fragte Cora.
Vivian stöhnte auf.
»Als du uns durch ganz New York geschleift hast, haben wir uns auch nicht beschwert«, sagte Helen. »Von der Sache mit den Sigs mal ganz abgesehen.«
»Autsch. Das war unter die Gürtellinie«, sagte Finley von der Motorhaube aus.
»Ja«, stimmte Cora zu. »Sie schuldet uns überhaupt nichts.«
»Niemand schuldet irgendwem irgendwas«, fügte Abilene hinzu.
»Mir ist es hier einfach nicht geheuer.«
»Uns allen war manchmal nicht geheuer bei der Scheiße, die wir miteinander schon gebaut haben«, sagte Cora. »Aber wir haben immer zusammengehalten.«
»Und hatten einen Heidenspaß«, sagte Finley.
»Und sind immer noch gesund und munter«, fügte Helen hinzu.
»Obwohl manche munterer sind als andere«, warf Abilene ein.
Vivian nickte. »Also gut. Aber wenn wir schon hierbleiben, kippen wir uns wenigstens einen hinter die Binde, okay?«
»Das ist mal ein Wort«, sagte Finley.
Cora blickte mit zusammengekniffenen Augen nach Westen. »Die Sonne geht bald unter.«
Bis auf Finley versammelten sich alle vor dem Heck des Jeeps. Helen schloss den geräumigen Kofferraum auf und Cora kletterte hinein, kramte eine Weile darin herum und schob schließlich eine Kühlbox zwischen ihren Beinen hindurch. Abilene nahm sie in Empfang. Einen Augenblick später tauchte Cora mit einer Pappkiste auf, in der sie Plastikbecher, Schnaps, Säfte und Knabberzeug verstaut hatten.
Sie schleppten beides um das Auto herum.
»Ah!«, rief Finley aus. »Endlich!« Sie hüpfte von der Motorhaube.
Abilene öffnete die Kühlbox. Bevor sie am Morgen das Motel verlassen hatten, hatten sie sie bis zum Rand mit Eis gefüllt. Nur wenig davon war geschmolzen – auf jeden Fall war noch genug für einen feuchtfröhlichen
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