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Das Treffen

Das Treffen

Titel: Das Treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Kamera auf Helen, Abilene, Vivian und Cora.
    Zunächst war Abilene zu überrascht, um überhaupt zu begreifen, was vor sich ging. Als ihr dann endlich aufging, dass die seltsame Gestalt sie filmte, war es bereits zu spät.
    »Was zum Teufel …?«, platzte Vivian heraus und drehte sich zur Wand um.
    Cora streckte den Arm aus und wollte sich auf Finley stürzen. Durch das Profil ihrer Turnschuhe hatte Finley die bessere Bodenhaftung und konnte leicht ausweichen. Cora dagegen rutschte aus und landete auf dem Hintern.
    Unbarmherzig bannte Finley den Sturz auf Zelluloid.
    »Gut so, Baby«, sagte sie mit ausgelassener, durch die Maske gedämpfter Stimme.
    Sie machte einen Schritt zur Seite. Vivian stand mit dem Rücken zu ihr und versuchte verzweifelt, ihren Po zu bedecken.
    Da sprang Abilene vor. Wie ein Tormann versperrte sie mit ausgestreckten Armen und Beinen Finley den Fluchtweg.
    Das Mädchen blieb stehen. Die große Kameralinse glitt von Brust zu Brust – und dann nach unten.
    »Du Schlampe!«
    »Ich hau jetzt ab.« Sie deutete einen Sprung nach links an. Noch während Vivian auf sie zustürzte, erkannte sie ihren Fehler. Aber der klatschnasse Boden erlaubte keine plötzlichen Richtungswechsel. Finley wich ihr mühelos aus.
    Und rannte direkt in Helens Faust.
    Helen, die mitten im Türrahmen gewartet hatte, landete einen gewaltigen Schwinger, der die Gorillamaske durch die Luft wirbeln und Finley zu Boden gehen ließ. Die Kamera flog im hohen Bogen weg und prallte gegen Abilenes rechten Oberschenkel. Helen rutschte auf sie zu.
    Abilene rieb sich das Bein und hob die Kamera auf.
    Dann umringten sie Finley. Helen setzte einen Fuß auf ihren Bauch, und Cora nahm ihr die Maske ab.
    Das Mädchen dahinter grinste sie schief an. »Hallo«, sagte sie. »Ich bin Finley. Freut mich, eure Bekanntschaft zu machen.«

3
    Der Jeep hielt vor Abilene und Finley, und die anderen stiegen aus.
    Helen legte den Kopf in den Nacken und begutachtete das Haus. Ihr Mund und ihre Augen standen offen. Sie wirkte so beeindruckt und erfreut, als würde sie zum ersten Mal die Freiheitsstatue erblicken.
    »Warum lassen wir nicht die Sachen im Auto«, schlug Cora vor, »und sehen uns erst mal um?«
    »Warum verzichten wir nicht aufs Umsehen und fahren nach Burlington zurück?«, fragte Vivian mit gerümpfter Nase.
    »Wo ist deine Unternehmungslust geblieben?«, fragte Abilene.
    »Die hat gegen meinen Überlebensinstinkt den Kürzeren gezogen.«
    »Wer nicht wagt, der nicht gewinnt«, sagte Cora.
    Helen kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. »Ist dieser Ort nicht traumhaft unheimlich! «
    »Ich hoffe zumindest, er ist traumhaft verlassen«, sagte Abilene. »Wer weiß, was sich in so einer Bruchbude alles eingenistet hat.«
    Helen grinste. »Ja.« Offensichtlich konnte sie es kaum erwarten, in der Ruine einem Einsiedler oder einem Axtmörder über den Weg zu laufen. »Sehen wir uns mal um.«
    Gemeinsam mit Cora rannte sie die Stufen zur Veranda hinauf. Vivian folgte ihnen. Bevor sie durch die Tür ging, sah sie sich um. »Kommst du?«
    »Das lasse ich mir nicht entgehen«, sagte Finley und schulterte ihre Kamera. »Los!«, befahl sie Abilene.
    Abilene überquerte die Veranda. Die wackeligen Bretter knarrten unter ihren Füßen. Obwohl sie immerhin Helens Gewicht getragen hatten, war sie doch heilfroh, als sie den Marmorboden des Foyers unbeschadet erreicht hatte.
    Die anderen standen um sie herum, als wäre der Türstock eine von einem tiefen Meer umgebene Insel. Schweigend sahen sie sich um. Abilene vermutete, dass sie auf Geräusche etwaiger Bewohner lauschten. Sie blieb neben Vivian stehen.
    »Scheißladen!«, rief Finley.
    Abilene zuckte zusammen. Vivian sog vor Schreck hörbar die Luft ein. Helen wirbelte verärgert herum und legte einen Finger auf ihre vollen Lippen. »Pssssssssst!«
    Finley grinste breit. Offensichtlich freute sie sich, dass sie die anderen wieder einmal tüchtig erschreckt hatte.
    Lautlos bildete sie mit den Lippen ein »Okay«. Sie ging auf Zehenspitzen in den Raum, wobei sie die Knie bei jedem Schritt weit anhob und vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte – eine Parodie auf jemanden, der versucht, möglichst leise zu schleichen.
    Dann blieb sie neben Abilene stehen. Langsam drehte sie sich um die eigene Achse und ließ die Kamera durch den Raum wandern. Der Autofokus summte leise, als er sich an die verschiedenen Entfernungen anpasste. Dann ließ sie die Kamera sinken und stand bewegungslos da.
    Die fünf

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