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Das Treffen

Das Treffen

Titel: Das Treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Helen auf den Stufen der Veranda saß und sie beobachtete. »Was ist los?«, würde sie jeden Augenblick rufen, und Abilene würde sich umdrehen. »Wo zum Teufel bist du gewesen? « , würde sie rufen, und voller Freude und Erleichterung auf sie zurennen.
    Sie blickte über die Schulter.
    Die verlassenen Verandastufen lagen in grauem Schatten.
    Abilene schnürte es die Kehle zu. Auf dem Weg zum Wald hatte sie nicht zu hoffen gewagt, Helen bei den Schlafsäcken vorzufinden.
    Wie hatte das alles passieren können?
    Wenn wir nur gestern Nacht noch nach den Schlüsseln gesucht hätten.
    Was hat sich Helen nur dabei gedacht, einfach allein loszuziehen?
    Das Tageslicht. Das Tageslicht erweckt den trügerischen Anschein von Sicherheit. Man denkt, dass sich die Ungeheuer, die in der Nacht auf einen lauern, in ihre Verstecke zurückgezogen haben.
    Oder zumindest, dass wir sie besser sehen, wenn sie auf uns zuschleichen, und rechtzeitig die Flucht ergreifen können.
    Diese Vorstellung täuscht.
    Auch Helen musste darauf hereingefallen sein. Im Morgenlicht hatte sie wohl gedacht, alles wiedergutmachen zu können, indem sie die Schlüssel finden und den anderen die Mühe ersparen würde.
    Helen, wie konntest du nur!
    Abilene hatte die Lichtung erreicht und blieb auf ihrem Schlafsack stehen.
    Keine Helen. Natürlich nicht.
    Beim Anblick der weiten, karierten Bermudashorts schossen Abilene Tränen in die Augen. Sie schluchzte auf. Mit nassen Fäusten rieb sie sich die Augen. Aber immer neue Tränen trübten ihren Blick.
    Dafür ist jetzt keine Zeit!
    Helen, wir werden dich finden. Ganz bestimmt. Es wird alles wieder gut.
    Sie ließ sich auf die Knie fallen und durchwühlte die Schlafsäcke nach den Taschenlampen. Dann griff sie nach der Wasserflasche. Ihr Mund war wie ausgedörrt. Aber vor Schluchzen würde sie sich verschlucken, und so setzte sie die Flasche wieder ab.
    Blinzelnd sah sie sich um und fragte sich, was sie sonst noch mitnehmen musste.
    Die Laterne?
    Nein. Die Taschenlampen würden völlig ausreichen.
    Außerdem hatte sie an den beiden Lampen und dem Wasserkanister schon genug zu schleppen.
    Finleys Kamera? Besser nicht.
    Sie richtete sich auf und rannte in den Wald. Während sie auf die Hütte zueilte, erschien ein weiteres Bild vor ihren Augen: Helen, die mit den anderen auf der Veranda stand und auf sie wartete. Lächelnd, füllig, gemütlich und wunderschön. Winkend. »Wo bleibst du denn?«
    Abilene wusste, dass das nur ein Wunschtraum war.
    Und trotzdem …
    Der Kanister gluckerte bei jedem Schritt. Als sie aus dem Wald trat, stellte sie verblüfft fest, dass ihre Freundinnen auf der Veranda warteten, genau, wie sie es sich vorgestellt hatte. Vivian ganz in Weiß, als wäre sie auf dem Weg zum Tennisplatz. Cora, die mit ihrem Tanktop und der Turnhose wie für ein Basketballspiel gekleidet war. Finley in ihrem burschikosen Safarioutfit. Helen, deren blasser Körper aus ihrem schwarzen Badeanzug quoll. Alle lächelten und winkten.
    Dann waren sie plötzlich über Abilene gebeugt.
    Sie lag auf dem Rücken und starrte sie an.
    Starrte Finley, Vivian und Cora an.
    Cora hatte sich das Top ausgezogen und befeuchtete damit Helens Gesicht.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Finley.
    »Wo ist Helen?«
    »Die finden wir schon«, sagte Cora.
    »Aber sie war doch gerade noch hier. «
    »Schön wär's«, murmelte Vivian.
    »Ich hab sie gesehen. «
    »Du bist umgekippt, Süße«, sagte Finley und drückte sanft ihre Schulter.
    »Was bin ich?«
    »Du bist in Ohnmacht gefallen. Was glaubst du, warum du auf dem Boden liegst?«
    »Ihr … Sie war nicht bei euch?«
    Abilene konnte die Antwort auf ihren Gesichtern ablesen.
    »Du musst Wasser trinken«, sagte Cora. »Du bist wahrscheinlich dehydriert.«
    »Du hast uns ganz schön erschreckt«, schalt Vivian. »Wie geht's dir jetzt?«
    »Ich … ich dachte, sie wäre bei euch.«

19
    Cora half ihr, sich aufzusetzen. Vivian öffnete die Wasserflasche und reichte sie Abilene, die jedoch noch zu schwach zum Trinken war.
    Vivian warf Cora einen besorgten Blick zu. »Glaubst du, sie hat einen Hitzschlag bekommen oder so was?«
    »Glaub ich nicht. Wahrscheinlich nur Flüssigkeitsmangel. Und die Aufregung.«
    »Was für eine Aufregung denn?«, murmelte Finley ironisch.
    »Ihre Augen sind ganz rot. Was ist das für ein Symptom?«
    »Ich … habe geweint.«
    »Ach so«, sagte Vivian. Plötzlich begann ihr Kinn zu zittern. Die Mundwinkel fielen herab, und Tränen stiegen in ihre grünen

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