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Das Treffen

Das Treffen

Titel: Das Treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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einen Zufluss, der etwa zehn Meter breit war und sich westwärts schlängelte, bis er in einem Gestrüpp aus Schilf und Seerosen in den See mündete.
    »Toll«, sagte Vivian. »Und jetzt?«
    »Wir haben nur zwei Möglichkeiten«, sagte Cora. »Überqueren oder außen herum gehen.«
    »Auf keinen Fall kehre ich jetzt wieder um«, sagte Finley. »Schwimmen wir eine Runde.«
    »Könnte ganz nett sein«, sagte Abilene.
    Sie balancierten auf einem Baumstamm, bis sie einen Steinhaufen erreicht hatten, hinter dem der Zufluss in den See mündete. Abilene setzte sich auf einen Felsbrocken und holte Atem.
    Cora hatte die Hände in die Hüften gestemmt, stand am äußersten Rand der kleinen Klippe und schaute ins klare Wasser vor sich. »Sieht nicht besonders tief aus«, sagte sie und sprang hinein, wobei sie Finley und Vivian vollspritzte.
    »Hey, wie angenehm«, sagte Finley.
    Abilene richtete sich auf.
    »Tiefer als gedacht«, sagte Cora. Sie stand bis zum Hals im Wasser. Dann strich sie sich über das nasses Haar, tauchte unter und schwamm zur anderen Seite.
    Ungefähr ab der Hälfte der Strecke schien das Wasser flacher zu werden. Bald waren ihre Schultern zu sehen. »Ein Kinderspiel«, sagte sie, als es ihr nur noch bis zu den Hüften reichte. »Kühl und erfrischend.« Sie kniete sich hin und tauchte erneut den Kopf unter.
    Finley sprang ebenfalls hinein. Wasserflasche und Chipstüte hielt sie über ihren Kopf.
    Vivian sah auf ihre weißen Reeboks herab. Sie ging in die Hocke, wollte schon einen Schnürsenkel öffnen, überlegte es sich dann aber anders und verließ ebenfalls den Steinhaufen.
    Abilene dagegen hatte Angst, ihre Mokassins im Wasser zu verlieren. Sie zog sie aus, hielt sie mit einer Hand fest und sprang. Die unerwartete Kälte des Wassers raubte ihr den Atem. Ihre Füße berührten glitschige Steine, und sie rutschte ab. Sie konnte gerade noch Luft holen, dann versank sie im Wasser.
    Sobald sie einmal untergetaucht war, hatte sie es nicht mehr besonders eilig, das Wasser zu verlassen.
    Es war wunderbar.
    Aber sie durften keine Zeit verlieren. Sie tauchte neben Vivian auf und sah, dass Cora bereits das andere Ufer erreicht hatte.
    Gemeinsam kletterten sie die Felsen hinauf. Abilene leerte ihre Mokassins aus und schlüpfte wieder hinein. Dann folgte sie den anderen in den Schatten des Waldes.
    Das Wasser auf ihrer Haut wirkte wie ein Schutzschild gegen die Hitze. Während sie sich einen Weg durch den Wald bahnten, fühlte sie sich erfrischt, erholt und hegte sogar wieder leise Hoffnungen, Helen unversehrt zu finden.
    Vielleicht hatte ihr Verschwinden gar nichts zu bedeuten. Sie machten aus einer Mücke einen Elefanten, und es gab eine ganz einfache Erklärung dafür. Möglicherweise war sie einfach spazieren gegangen, und hatte ihre Schuhe stehen lassen. Dann hatte sie sich ein schattiges Plätzchen gesucht, sich ausgestreckt und war eingeschlafen. Gar nicht so unwahrscheinlich. Vielleicht hatte sie vor Angst – oder Hunger – die Nacht über kein Auge zugetan. Jetzt, im Tageslicht und mit einer halben Tüte Tortillachips im Bauch, hatte die Müdigkeit sie übermannt.
    Vielleicht befand sie sich jetzt in diesem Moment in der Lodge und suchte nach ihnen. Krank vor Sorge, als wären die anderen diejenigen, die verschwunden waren.
    Abilene wollte ihre Theorie den anderen mitteilen, entschied sich jedoch dagegen. Sie würden nur irgendwelche Lücken in ihrer Argumentationskette finden und ihre Stimmung wieder in den Keller ziehen.
    Sie folgte den andern über eine kleine Grasfläche, und sofort vertrieb die sengende Sonne die angenehme Nässe auf ihrer Haut und ihrer Kleidung. Erhitzt und schweißüberströmt überdachte sie noch einmal ihre allzu optimistische Theorie und kam zu dem Schluss, dass sie nur ein lächerlicher Wunschtraum war, der einfach nicht Realität sein konnte.
    Helen war nicht spazieren gegangen und eingeschlafen. Sie war überwältigt und entführt worden.
    Wir werden sie niemals finden.
    Wir werden sie niemals Wiedersehen.
    Was sollen wir Frank sagen? Zum Teufel mit Frank. Er hatte sie wie Scheiße behandelt und war womöglich froh, wenn er von ihrem Verschwinden hörte. Wir sind die Menschen, die sich wirklich um sie kümmern. Wir sind diejenigen, die sie lieben.
    Was sollen wir nur tun, wenn … ?
    Plötzlich sprang Cora zur Seite und ging hinter einem Baum in Deckung. Sie hob eine Hand, um die anderen zu warnen. Sie versammelten sich um sie und spähten an ihrem Rücken vorbei um den

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