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Das Treffen

Das Treffen

Titel: Das Treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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auf Abilenes Bauch gerichtet. Abilene konnte das Geschlecht der Person beim besten Willen nicht erkennen. Sie hatte abstehendes, graues Haar. Das faltige, lederartige Gesicht war mit Stoppeln bedeckt, aber das hieß gar nichts – schließlich hatten auch alte Frauen manchmal einen Schnurrbart.
    »Raus da.«
    Finley hob die Arme und verließ den Schuppen. Abilene, Vivian und Cora folgten ihr. Sie reihten sich vor dem Schuppen mit erhobenen Händen auf.
    Mit einem kurzen Blick erkannte Abilene erleichtert, dass die Person offensichtlich alleine war.
    Das reicht ja auch, dachte sie, ein Irrer mit einer Schrotflinte.
    Und die Person vor ihr sah ziemlich irre aus.
    Beide Ohrläppchen waren mit kleinen Büscheln aus grellroten und gelben Federn geschmückt. Es waren keine Ohrringe, sondern Angelköder, deren winzige Haken in den Ohren steckten. An einem Band aus ungegerbtem Leder, das um den Hals des Fremden hing, baumelte ein Anhänger, der wie der verblichene Schädel eines Nagetiers aussah. Das Lederband war durch die beiden Ohrlöcher des Schädels gefädelt worden. Hinter dem heruntergeklappten Unterkiefer waren kleine, nadelspitze Zähne zu erkennen.
    Der Schädel baumelte über einer gelbbraunen Brust, die in einer groben Lederweste steckte. Die Weste wurde durch ein paar Lederschnüre zusammengehalten und klaffte einige Zentimeter weit auf, ohne dass dahinter Brüste zu erkennen gewesen wären. Eine verdreckte, abgeschnittene Jeans hing tief um die Hüften der Gestalt und war an den Seiten fast bis zum Bund aufgeschlitzt. An einem Gürtel darüber hing ein Jagdmesser in einer breiten Lederscheide. Das Messer hatte einen Hirschhorngriff und war fast halb so lang wie der Oberschenkel des Fremden.
    Seine Füße waren nackt und mit Schmutz bedeckt. Ein kleiner Zeh fehlte.
    Während Abilene die seltsame Erscheinung vor sich betrachtete, ließ er – oder sie – langsam den Lauf der Flinte zur Seite wandern. Blassblaue Augen musterten sie gründlich.
    »Seid aber hübsche Mädels.«
    »Wissen Sie, wo Helen ist?«, fragte Cora.
    Grinsen. Braune Zahnstummel. Dann richteten sich die blassen Augen auf Vivian. »Was sind 'n das für Schuhe?«
    »Das sind Reeboks.«
    »Sind ziemlich schick, oder? Gib sie dem alten Batty.«
    Vivian beugte sich vor, hob einen Fuß und stützte ihn auf ihr Knie. Cora packte ihre Schultern und stützte Vivian, während sie den Schuh auszog und Batty zuwarf. Dann wechselte sie das Standbein und zog auch den anderen aus, den sie ebenfalls vor Battys Füße schleuderte.
    »Die behalt ich.«
    Vivian schwieg.
    »Sie haben schließlich die Schrotflinte«, sagte Cora.
    »Bin kein Dieb.« Batty klemmte sich die Flinte unter den Arm und hob die Schuhe auf. »Ist meine Bezahlung. Helen? Ich zeig euch, wo sie is.«
    »Sie wissen, wo sie ist?«
    Batty antwortete mit einer einladenden Geste, schulterte die Flinte, wandte sich um und ging auf die Hintertür der Blockhütte zu.
    Die anderen blieben, wo sie waren, und sahen sich gegenseitig an. Abilene blickte in verblüffte und ratlose Gesichter.
    Ohne sich umzudrehen, ging die seltsame Gestalt die Stufen hinauf, öffnete die Tür und verschwand in der Hütte.
    »Grundgütiger«, sagte Finley. »Was war das denn?«
    »Das war Batty.«
    »Der ist ja völlig neben der Spur.«
    »Oder sie.«
    Vivian taumelte, als hätte sie alle Kraft verlassen. »Himmel«, murmelte sie, beugte sich vornüber und stützte die Hände auf die Knie.
    »Ich nehme an, dass wir jetzt gehen dürfen, wenn wir wollen«, sagte Cora. »Aber vielleicht sollten wir uns anhören, was Batty zu sagen hat.«
    »Ich glaube nicht, dass er Helen entführt hat«, sagte Vivian, die immer noch ihre Knie umklammert hielt.
    »Aber er hat deine Schuhe«, sagte Cora.
    »Sie«, warf Finley ein. »Es.«
    »Die kann sie ruhig behalten.«
    »Sie hat doch irgendwas von einer Bezahlung gefaselt«, sagte Abilene. »Ich glaube, sie will uns helfen, Helen zu finden.«
    »Ich glaube, dass Batty nicht alle Tassen im Schrank hat«, sagte Finley. »Das war doch nur leeres Gerede.«
    »Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.«
    »Eine andere Spur haben wir nicht«, sagte Cora. »Verflucht, immerhin wohnt sie hier. Selbst wenn sie Helen nicht gesehen hat, könnte sie doch eine Ahnung haben, wer sie entführt hat.«
    »Außerdem«, sagte Abilene, »können wir so das Innere der Hütte in Augenschein nehmen.«
    »Die Höhle des Löwen«, sagte Finley und grinste schwach.
    »Niemand zwingt uns dazu.«
    »Stimmt«, sagte

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