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Das Treffen

Das Treffen

Titel: Das Treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Sitzbank mit einem Loch in der Mitte und einem Schwarm summender Fliegen.
    Während die anderen vor dem Gestank zurückwichen, schloss Cora die Tür wieder und steckte den Haken in die Öse zurück.
    Sie folgten einem Pfad durch den Garten zum nächsten Schuppen. Er war dreimal so groß wie das Plumpsklo und schon eher dazu geeignet, eine Gefangene darin einzusperren. Abilene stellte sich vor, wie Helen dort auf dem Boden lag, mit dicken Seilen gefesselt und einem Knebel im Mund.
    Aber als Cora die Tür öffnete, war niemand zu sehen.
    Im Zwielicht erkannte Abilene Schaufeln, Rechen, Hacken, eine Sense, Angelzeug und eine Axt. Die Regale an der Wand waren mit Flaschen und Einmachgläsern beladen.
    »Wow«, flüsterte Finley. »Hier können wir noch ein bisschen aufrüsten.«
    Sie betraten den Schuppen. Die heiße, stickige Luft roch nach Moder.
    Finley ließ ihren Stein fallen und griff nach der Axt.
    »Lass das lieber liegen«, flüsterte Vivian.
    »Heilige Mutter Gottes«, keuchte Cora. Sie nahm ein Einmachglas vom Regal und betrachtete es genauer. »Hühnerköpfe.«
    »Was?«
    Sie versammelten sich um sie herum.
    Im schwachen Licht, das durch die Tür fiel, sah Abilene, dass in dem Glas die Köpfe von mindestens einem halben Dutzend Hühner in einer trüben gelben Flüssigkeit schwammen. Sie konnte sogar die winzigen schwarzen Augen und die geöffneten Schnäbel erkennen. Dann wandte sie schnell den Blick ab.
    Vivian würgte.
    »Wer macht denn Hühnerköpfe ein?«, fragte Cora.
    »Als Appetizer vielleicht?«, schlug Finley vor.
    Cora stellte das Glas aufs Regal zurück und nahm das nächste in die Hand. Sie hielt es gegen das Licht. »Oh Gott.«
    Abilene warf einen Blick darauf.
    Die Dinger, die in der Flasche trieben, starrten zurück.
    Augäpfel.
    »Heilige Scheiße«, sagte Finley.
    »Das sind bestimmt keine Menschenaugen«, flüsterte Cora. »Vielleicht von Schweinen oder …«
    Ein peitschender Knall ließ Abilene zusammenzucken. Auch die anderen machten vor Schreck einen Satz. Cora ließ das Glas fallen. Abilenes Ohren klingelten, sodass sie nicht hörte, wie die Flasche auf dem Boden zersprang. Warme Flüssigkeit spritzte gegen ihre Knöchel. Augäpfel rollten umher.
    Die Tür des Schuppens fiel ins Schloss.

21
    Der gewaltige Knall musste ein Schuss gewesen sein, der in nur wenigen Metern Entfernung abgefeuert worden war. In der kurzen Zeit, die zwischen dem Schuss und dem Zufallen der Tür vergangen war, war Abilene zumindest nicht aufgefallen, dass eine ihrer Freundinnen getroffen worden war.
    »Alles in Ordnung?«, flüsterte sie.
    »Ja, alles bestens«, murmelte Finley verärgert.
    »Was war das?«, fragte Cora.
    »Klang wie eine Schrotflinte«, sagte Vivian.
    »Jetzt stecken wir tief in der Scheiße«, sagte Finley.
    Abilene zuckte zusammen, als irgendetwas – möglicherweise der Kolben der Flinte – gegen die Tür gerammt wurde.
    »Was macht ihr da drin?«, ertönte eine hohe, heisere Stimme. Sie gehörte offenbar einem alten Menschen, aber ob es ein Mann oder eine Frau war, konnte Abilene nicht mit Gewissheit sagen.
    »Wir machen gar nichts«, antwortete Cora. »Wir haben uns nur umgesehen.«
    »Rumgeschnüffelt!« Er – oder sie – schlug erneut gegen die Tür. »Bei mir wird nich rumgeschnüffelt.«
    »Tut uns leid«, sagte Cora. »Wir wollen ihnen nichts tun. Wir suchen nur jemanden.«
    »Habt auch jemanden gefunden. Mich nämlich!«
    Abilene wandte sich langsam zur Tür um. Sie trat auf einen Augapfel, der unter der Sohle ihres Mokassins zerplatzte. Abilene stöhnte angewidert.
    »Wer sind Sie?«, fragte Finley.
    »Wen sucht ihr denn?«
    »Eine Freundin von uns«, sagte Cora. »Sie heißt Helen.«
    »Ich bin's nich.«
    »Sie ist fünfundzwanzig«, sagte Cora. »Dunkelhaarig, ziemlich stämmig.«
    »'n Fettwanst?«
    »Haben Sie sie gesehen?«
    »Hier nich.«
    »Wissen Sie, wo sie ist?«
    Schweigen.
    »Ich lass euch raus. Aber ich warn euch, ich hab meinen Schießprügel gleich hier. Kommt langsam raus, sonst puste ich euch das Hirn aus dem Schädel.«
    »Um Himmels willen«, flüsterte Vivian. »Leg die Axt weg, Fin.«
    »Wir sollten besser alle unsere Waffen loswerden«, sagte Cora.
    Abilene ließ ihren Stein fallen und hörte irgendwo in der Dunkelheit Glas klirren. Auch die anderen ließen ihre Waffen fallen.
    Die Tür schwang weit auf, und Abilene kniff im grellen Licht die Augen zusammen.
    Vor der Hütte stand ein dünner, kleiner Mann – oder eine Frau – und hatte eine Schrotflinte

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