Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Turmzimmer

Das Turmzimmer

Titel: Das Turmzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonora Christina Skov
Vom Netzwerk:
Denn Antonia und Lily blühten auf, bis sie fast gleich schön waren, und Lily lernte es endlich, ihren klugen Kopf einzusetzen. »Lily hat ein kleidsames Selbstvertrauen entwickelt«, bemerkte Laurits. »Genau genommen verändert sich gerade das Machtverhältnis zwischen den Mädchen, und ich hoffe, dass Antonia das verkraftet. Sie, die es so gewohnt ist zu bestimmen. Es fällt ihr sichtlich schwer, damit zurechtzukommen. Denn obwohl man es den fertigen Geschichten nicht ansieht, sind sie letztendlich Lilys Werk. Aus ihrem Stift fließt sehr viel mehr als aus Antonias, die Geschichten strömen nur so aus ihr heraus. Das Pseudonym der Mädchen müsste eigentlich Lily Antonia heißen, doch ich habe die Nase voll davon, das Thema noch einmal aufzugreifen. Antonia hätte mich beinahe entlassen, als ich es das letzte Mal vorgeschlagen habe.«
    In regelmäßigen Abständen kamen große Mengen an Leserbriefen ins Haus. Laurits sah den Brief zuerst, der sich von den anderen unterschied. Geschrieben auf feinem Firmenpapier mit Wasserzeichen und mit Simon Hansen, Verleger, unterzeichnet.
    »Er bietet an, euren nächsten Fortsetzungsroman als Buch zu veröffentlichen!«, rief sie Lily zu, die mit wippendem Fuß und über die Seiten laufendem Stift über den Schreibtisch gebeugt saß.
    »Wer?«
    »Ein Verleger, Lily! Simon Hansen. Er schreibt, dass er einen eigenen Verlag hat. Hansen & Sohn, kennst du den? Er lädt euch nach Kopenhagen ein, damit ihr das Ganze näher besprechen könnt.«
    Lily hob ruckartig den Kopf. Sie kam so wenig an die frische Luft, dass ihre Haut wie das feinste Porzellan wirkte. Im Gegensatz zu Antonias, deren Gesicht mit lustigen Sommersprossen übersät war, weil sie draußen im Park saß und schrieb. Oder was immer sie dort draußen trieb. Die meiste Zeit ließ sie Lily für zwei arbeiten, ohne deshalb auch nur zu erröten.
    »Was sagst du, Laurits? Ein Verleger?« Lily hatte sich erhoben, doch getreu der Gewohnheit kam Antonia ihr zuvor. Laurits wusste nicht so genau, wo sie hergekommen war. Doch so war es immer. »So ist Antonia wohl einfach«, grübelte Laurits, während sie beobachtete, wie sie den Brief von Hansen & Sohn las. Ihre Augen hatten zu leuchten begonnen. »Was sie nicht zuerst bekommt, nimmt sie sich selbst. Auch wenn es ihr streng genommen nicht zusteht.«
    In den nächsten Wochen spürte Laurits eine lauernde Unruhe in ihrem Körper. »Etwas, das in mir wächst und mir möglicherweise ans Leben will«, schrieb sie. Man hätte annehmen können, dass sie auf die Geschwülste und Furunkel anspielte. Jedenfalls war das die Zeit, in der sie damit begann, den größten von ihnen Namen zu geben. Das erste nannte sie Horace, das zweite Jens und das dritte Clara (ja, die Namen haben mich auch gewundert). Später hat sie sogar ein Geschwulst Simon genannt. Doch wie dem auch sei, ich denke eher, dass ihre Unruhe mit den Veränderungen zu tun hatte, die bald über Liljenholm hereinbrechen sollten. »Die Mädchen reden von nichts anderem als von dem Erscheinen des Buchs«, schrieb sie. »Ich freue mich natürlich für sie, selbstverständlich. Lily hat schließlich monatelang an dem Konzept für den nächsten Fortsetzungsroman Lady Nellas geschlossene Augen gearbeitet. Wenn sie nur mit nach Kopenhagen fahren und diesem Simon Hansen einen Besuch abstatten würde, wäre ich sehr viel beruhigter, als ich es jetzt bin.«
    Doch Lily wollte nichts davon hören, Liljenholm zu verlassen. Unter keinen Umständen und niemals. Antonia dagegen schien sonderbar guter Dinge bei dem Gedanken zu verreisen und fasste sich sogar ein Herz, die vielen Schränke des Turmzimmers nach passenden Kleidern für die Reise zu durchstöbern.
    »Glaubst du, dass die Kleider hier völlig unmodern sind?«, fragte sie Laurits und hielt ein paar Kleider mit Reifröcken hoch. Laurits sah sich gezwungen zu nicken. Wenn sie zum Einkaufen in der Stadt war, kam sie nicht umhin, die vielen Schnürmieder und verzierten Seidenkleider mit angehobenem Dekolleté im Straßenbild zu bemerken. Antonia wollte mit in die Stadt gehen. Ihre Füße trippelten ungeduldig.
    »Sollen wir nicht auch ein paar Kleider für dich kaufen, Lily?«, bot Laurits an, doch Lily schüttelte nur von ihrem Schreibtisch aus den Kopf.
    »Nein, das Geld können wir uns gut sparen«, sagte sie.
    »So ist sie nun einmal«, bemerkte Laurits am selben Abend. »Antonia wirft mit Geld um sich, wenn sie welches in die Finger bekommt, und Lily spart. Ohne sie wären

Weitere Kostenlose Bücher