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Das Turmzimmer

Das Turmzimmer

Titel: Das Turmzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonora Christina Skov
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Liljenholms Finanzen eine noch größere Katastrophe, als sie es ohnehin schon sind.«
    Ein paar Tage später war Antonia fertig für die Abreise. »Sie stand mit ihrem kleinen Koffer in der Halle und sah erwartungsvoll und verloren zugleich aus in ihrem viel zu überschmückten Kleid«, schrieb Laurits. »Schön wie ein Traum ist sie, aber sie ist auch sehr, sehr jung. ›Bist du ganz sicher, dass du wirklich fahren willst, Antonia? Sollen wir Simon Hansen nicht lieber nach Liljenholm einladen?‹, fragte ich sie.« Doch Antonia runzelte nur die Stirn und sagte, dass sie sich schon um alles kümmern werde, das Buch vorstellen, den Vertrag unterschreiben und die weitere Vorgehensweise diskutieren. Bevor sie ging, küsste sie Lily und versprach, ihr eine große Schachtel Schokolade mitzubringen. Das war der einzige Luxus, den Lily sich schon damals gestattete. Nicht einmal als Antonia längst wieder hätte zurück sein sollen, erlaubte sie es sich, unglücklich zu sein, bevor sie sich nicht alleine glaubte.
    »Antonia ist bestimmt nur aufgehalten worden«, war Lilys einziger Kommentar, wenn Laurits ihrer Bekümmerung Ausdruck verlieh. Und dann schrieb Lily weiter an Lady Nellas geschlossene Augen , sodass sich die Seiten um sie herum häuften. Und sie behielt recht. Antonia war tatsächlich aufgehalten worden. Sie kam erst drei Monate später zurück. In der Zwischenzeit hatte Laurits mehrmals versucht, mit Simon Hansens Verlag zu telefonieren, wenn sie zum Einkaufen in der Stadt war. Oder vielleicht richtiger, wenn sie in der Stadt war, um zu telefonieren, und vorgab einzukaufen. Doch sie kam nie weiter als bis zu der unfreundlichen Verlagssekretärin Fräulein Kvist.
    »Herr Hansen und Fräulein Liljenholm wollen nicht gestört werden«, antwortete sie jedes Mal kurz angebunden, wenn Laurits nach Antonia fragte. »Sie sind beschäftigt, es tut mir leid. Doch ich kann einen Bescheid hinterlegen und Fräulein Liljenholm bitten, sich bei Ihnen zu melden.«
    Nach ein paar Wochen meldete Antonia sich tatsächlich, wenn auch nur in Form eines Telegramms:
    Genieße die Stadt STOPP Macht euch keine Sorgen STOPP Eure A
    »Genieße die Stadt?«, schrieb Laurits mit Riesenbuchstaben über eine ganze Seite ihres Tagebuchs. »Ich glaube eher, dass sie Simon Hansen genießt, das Flittchen!« Wenn Lily nicht gewesen wäre, hätte Laurits der Hauptstadt wahrlich auch einen Besuch abgestattet und das unsittliche Mädchen höchstpersönlich nach Hause geholt, wo sie hingehörte. Das waren die Worte, die sie gebrauchte. Doch Lily schüttelte entschieden den Kopf, wenn Laurits die Idee zur Sprache brachte.
    »Du bleibst, wo du bist, Laurits«, sagte sie. »Antonia tut, was sie für richtig hält. Sie hat zweifellos ihre Gründe, die haben wir alle.«
    »Aber sie lässt dich im Stich, Lily! Sieh dich doch an! Was, wenn sie gar nicht mehr zurückkommt?«
    Lily kniff die Lippen zusammen, was Laurits ein wenig beunruhigte. In den Monaten nach Horaces und Claras Tod war ihr Gesicht so ausdruckslos gewesen, wie Laurits es um nichts in der Welt wieder an ihr sehen wollte.
    »Antonia hat mich damals, als die Gespenster Mutter und Vater umgebracht haben, ins Leben zurückgeholt«, sagte sie. »Sie lässt mich jetzt nicht im Stich. Warte es ab.«
    Lily sollte recht behalten. An einem späten Nachmittag stand Antonia in der Halle, hinter ihr zehn Koffer und an ihrer Seite ein Mann, der, um es mit Laurits’ Worten auszudrücken, »die erste blühende Jugend bereits hinter sich hatte«. Antonias schien dagegen gerade begonnen zu haben. Ihr Haar war zu einer frechen, offenen Frisur gedreht, ihr Körper rundlicher geworden und die Haut noch goldener als sonst.
    »Lily!«, rief sie und umarmte ihre Schwester, die plötzlich ganz farblos aussah. »Ich habe dir Schokolade mitgebracht, wie ich es versprochen habe! Das ist Simon, mein zukünftiger Mann. Wir haben beschlossen, uns zu verloben und hier zusammen mit euch zu wohnen. Dazu könntet ihr uns dann jetzt auch eigentlich beglückwünschen.«
    Lily wünschte ihnen auf ihre eigene Weise Glück. Sie drückte ihren leicht geöffneten Mund auf Antonias, und Antonia nahm ihren Kuss entgegen, etwas überrascht vielleicht, doch nicht so sehr, dass sie nicht zurückküsste. Anschließend lächelte sie, und selbst ihre Zähne sahen anders aus. Weißer, hatte Laurits den Eindruck. Sie musste tief durchatmen, bevor sie sich im Stande sah, Simon die Hand zu schütteln.
    »Es war eine furchtbar peinliche

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