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Das Turmzimmer

Das Turmzimmer

Titel: Das Turmzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonora Christina Skov
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geschah mit Berechnung und so viel Morphium, dass es für mehrere Morde an dem verrückten Mann und seiner Frau gereicht hätte. Es erleichtert mich, das nach all den Jahren zu schreiben. Ich habe sie umgebracht, und die Gespenster kamen mir dabei gut gelegen. Ja, selbst Antonia und Lily glaubten, dass die Gespenster und nicht ich Herrn Horace und Frau Clara aus dem Weg geräumt hatten. Jetzt hätte sich eigentlich alles zum Besseren wenden müssen, doch so kam es nicht. Ich kann dir auch erzählen, warum. Wenn man einmal angefangen hat, im falschen Takt zu tanzen, findet man den richtigen nicht wieder. Man trifft Entscheidungen, die nie hätten getroffen werden dürfen. Ich entschied, dass Lily kein Kind haben sollte. Sie war zu jung, das Verhältnis zu Antonia war zu abnormal, und ja, ich kann es ebenso gut zugeben, dass ich meine Mädchen für mich haben wollte. Deshalb sündigte ich erneut.
    Als Herrn Horaces Tochter aus Lilys blutigem Schoß kam, behauptete ich, dass das Mädchen tot geboren worden sei, was auch gut hätte passieren können. Ich musste ihr den Mund zuhalten, bis sie ganz blau im Gesicht war, bevor ich sie Lilly zeigte und unter dem Vorwand verschwinden ließ, dass wir sie auch ebenso gut gleich ins Krematorium bringen konnten. Doch stattdessen fuhr ich nach Kopenhagen und brachte sie in ein Kinderheim. Ich erinnere mich ganz genau daran. Das Mädchen lag auf meinem Brustkorb und schlief, und aufgrund meines Umfangs glaubte die Heimleiterin, ich sei ihre frischgebackene Mutter. »Hat das Mädchen einen Namen?«, fragte sie. Ich wollte nicht Nein sagen, das Mädchen war trotz allem ein ganz klein wenig meins, hatte ich das Gefühl, so sehr wie ich seine Mutter und seine Tante liebte. Deshalb beschloss ich, sie nach mir zu nennen. Das war wohl am naheliegendsten, dachte ich. Agnes ist so ein schöner, dänischer Name, und er würde zweifellos sehr viel besser zu ihr passen als zu mir, weshalb ich ihn auch nie gebraucht habe. In ihre kleine, fechtende Hand legte ich das einzige Schmuckstück, das ich trug. Eine Brosche. Ich weiß nicht, ob du sie noch immer hast, Agnes? In der Brosche ist eine Kamee mit meinem Profil, bevor ich mich zu dick gegessen habe, um jemals verheiratet zu werden. Damals, als ich sie dir gegeben habe, hoffte ich, dass du dich vielleicht ein ganz klein wenig an mich erinnerst, wenn du sie öffnest. Eine eitle Hoffnung! Heute denke ich eher, dass ich dir die Silhouette einer Sünderin mit auf den Weg gegeben habe.
    Agnes, Lillemor und ich sahen zur gleichen Zeit auf die Brosche, die wie üblich Agnes’ Revers zierte. Die Sekunden und unsere Herzschläge schlugen gleich schnell, glaube ich.
    Agnes wollte eindeutig etwas sagen. Doch aus ihrem Mund kamen keine verständlichen Worte. Während Lillemor jammerte, dass sie das Buch nie hätte aus der Hand geben dürfen – NIEMALS , sondern es längst in den Kamin hätte werfen sollen –, las ich so ruhig, wie ich es vermochte, was Laurits verschwiegen hatte:
    Du bist Horaces einziges biologisches Kind, Agnes. Ich habe deinen Vater getötet, um deine Mutter vor einem Leben als Kinderbraut ihres Vaters auf Frydenlund zu bewahren, aber ich bin mir bei Weitem nicht sicher, ob ich sie gerettet habe. Ich komme jetzt zu einer Sünde, von der berichten zu müssen ich mich gefürchtet habe. Meiner fünften. Ich hätte Lily erzählen müssen, wo du warst, als ich begriff, wie »hart« dein »Tod« sie traf. Monatelang hat sie nur geschlafen, und wenn sie ein seltenes Mal aufgewacht ist, hat sie mich der schlimmsten Dinge beschuldigt. »Ich habe gehört, wie das Kind geschrien hat, du hast es mir genommen«, hat sie zu mir gesagt. »Wo ist es, Laurits? Sag mir, wo es ist!« Doch ich wiederholte nur, dass du längst tot und eingeäschert seist und ich nicht wüsste, wovon sie sprach. Hatte ich nicht einen weißen Gedenkstein im Park aufgestellt, oben auf der kleinen Anhöhe? Und ich fügte noch hinzu, dass sie schon wieder zu sich kommen und deinen Tod akzeptieren würde.
    Doch sie akzeptierte ihn nie, und mich plagt bis heute das schwärzeste Gewissen. Ich konnte dich nur allzu deutlich vor mir sehen, dort in dem Kinderheim in Kopenhagen, ganz allein auf der Welt. Und als meine kleine Schwester mir schrieb und erzählte, dass sie ihre kleine Agathe verloren hatte, beschloss ich, euch beiden etwas Gutes zu tun. Das ist tatsächlich der einzige Entschluss, auf den ich später stolz gewesen bin. Ich habe Lillemor vorgeschlagen, dass sie dich zu

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