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Das Turmzimmer

Das Turmzimmer

Titel: Das Turmzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonora Christina Skov
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alles, was Agnes und ich Ihnen gerade erzählt haben und noch ein wenig mehr. Lillemor erhob sich, als ich spät in der Nacht fertig war, sehr viel heiserer, aber auch sehr erleichtert. Im gleichen Moment schlug die Uhr zweimal. Lillemor schwankte ein wenig auf ihren hohen Absätzen, als sie sich in Bewegung setzte. Zum Regal. Seitlich angestrahlt von einer einzelnen Lampe glich sie ein wenig den vergoldeten Leuchtern, die sie vorsichtig zur Seite schob. Ebenso rank und schlank und mit fahler Haut. Lange stand sie, uns seitlich zugewandt, einfach nur da. Die Hand im Dunkeln über irgendetwas geschlossen.
    »Ich hätte nie gedacht, dass es zu meinen Lebzeiten dazu kommen würde«, sagte sie. »Ich habe tatsächlich erwogen, mich dieses Buchs zu entledigen, doch ich bin nicht dazu gekommen. Ich habe es letztendlich wohl nicht geschafft.«
    Sie drehte sich um und reichte mir ein kleines, rotes Notizbuch.
    »Du solltest das wohl lesen und entscheiden … es ist schließlich deine Familie, nicht?«
    Sie betonte das deine . Ich hielt das Buch in den Händen und drehte und wendete es. Es hatte Ähnlichkeit mit Laurits’ kleinem, roten Notizbuch. Dem aus meinem Albtraum. Die Buchstaben tanzten vor meinen Augen … es ist höchste Zeit, dass ich meine Sünden bekenne …
    Lillemor protestierte, als ich ansetzte laut zu lesen, als hätte sie ernsthaft erwartet, dass ich den Inhalt für mich behalten würde. Ich überhörte ihren Protest. Jetzt, wo Agnes und ich so weit gekommen waren, war es endgültig zu spät, Geheimnisse voreinander zu haben. Diese Art Geheimnisse jedenfalls. Hören Sie also, was ich las:
    Liljenholm, 4. März 1926
    Alle kennen mich als Laurits. Laurits von Liljenholm. Aber mein liebes Mädchen, es ist höchste Zeit, dass ich meine Sünden bekenne, sodass du verstehst, wer wir beide, ich und du, wirklich sind. Ich wollte es dir schon seit Jahren erzählen, seit du auf die Welt gekommen bist. Es hat mich so furchtbar gequält, dass ich hin und wieder denke, dass es sich einen Weg in mein Herz gefressen hat. Es schlägt jetzt langsam und sc hwer. Ich habe den Winter meines Lebens erreicht, und ich merke, dass ich schnell schreiben muss, wenn du die Wahrheit noch erfahren sollst, bevor ich sterbe. Es geht um deine Eltern und deren Eltern. Ich kann nicht so weit zurück ausholen, wie ich das gerne würde, oder so tief schürfen, wie ich gerne möchte. Die Zeit ist zu knapp. Jeder einzelne Buchstabe ermüdet mich, deshalb musst du Lillemor um die Antworten bitten, die dir fehlen dürften. Da sie dir dieses Buch gegeben hat, ist sie hoffentlich darauf vorbereitet, dass du sie fragen wirst.
    Mein liebes Mädchen, du sollst wissen, wie oft ich an dich denke. Ich habe immer versucht, das Richtige zu tun. Doch es ist schon schwer genug, das Richtige für sich selbst zu tun. Wie soll man dann das Richtige für andere tun? In den letzten Jahren hat mich jeder einzelne Tag daran erinnert, wie sehr ich versagt habe, und ich habe es als rechtmäßige Strafe empfunden, dessen kannst du dir sicher sein. Die Menschen, die mir nahestehen, sind vom Unglück verfolgt, und das ist meine Schuld. Die einzige Hoffnung, die mir geblieben ist, ist die, dass du glücklich bist, und bevor ich meine Augen schließe und das letzte Mal ausatme, will ich beten, dass dem so ist. Denn dann ist alles, was ich versucht habe zu tun, nicht ganz vergebens gewesen.
    Meine Sünden begannen damals, als ich noch sehr jung war und ich den Entschluss fasste, die Unwahrheit zu sagen, um zu überleben. Ich behauptete, besondere Fähigkeiten zu besitzen. Sie bestimmten meinen Lebensweg, und sie verhalfen mir später zu einer Anstellung als Verwalterin auf Gut Liljenholm, das angeblich von vielen verstorbenen Zwillingen heimgesucht wurde. Von Gespenstern, mit anderen Worten. Und hier kommt meine zweite Sünde, denn ich stellte schnell fest, was Liljenholm in Wirklichkeit heimsuchte. Doch ich beschloss zu bleiben und den Mund zu halten, statt die Tür hinter mir zuzuknallen und Anzeige zu erstatten. Man kann auch sagen, dass ich dazu gezwungen wurde. Mein Herr, Herr Horace, hat nämlich ebenso schnell festgestellt, dass ich nicht eine einzige besondere Fähigkeit besaß, und er stellte mich vor die Wahl. Wenn ich verriet, was auf Liljenholm vor sich ging, wollte er dafür sorgen, dass niemand im ganzen Land mich jemals wieder einstellen würde. Weder als Verwalterin noch als Wahrsagerin oder sonst etwas, wovon ich gut leben konnte. Ich erwarte nicht, dass

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