Das Ultimatum
bedrohlich aussehende kleine Pitbull, wie Coleman ihn gern nannte, war selbst mit seiner kurz geschnittenen Stehfrisur nicht größer als einen Meter siebzig. Als Coleman die Ausbildung zum SEAL absolvierte, war Jarvi einer seiner Lehrer oder Peiniger, je nachdem, wie man es betrachtete. Vor allem während des zwölfwöchigen Ausbildungslagers, das die Navy allen Kandidaten auferlegte, um sicherzustellen, dass nur die Allerhärtesten SEALs wurden, war Jarvi auf Schritt und Tritt dabei, um die Jungs anzutreiben.
Jarvi streckte ihm die Hand entgegen. »Da sind also ein paar schlimme Jungs hinter dir her, sagst du?«
»Ja«, antwortete Coleman, stellte beide Kästen ab und umarmte seinen Freund.
Jarvi hob den größeren und schwereren Coleman kurz hoch und ließ ihn wieder auf den Boden. »Freut mich wirklich, dich zu sehen, Bruder.«
»Mich auch, Sam.«
Jarvi zeigte auf die Boote, die im Hafen lagen. »Du hast gesagt, du brauchst ein Fahrzeug?«
»Ja, wenn du eins entbehren kannst.«
»Aber sicher, wenn mein Kumpel eins braucht. Ich habe bereits mit dem Hafenmeister gesprochen. Er ist ein mürrischer alter Kerl, aber er hat gesagt, wenn’s für einen SEAL ist, hat er nichts dagegen«, fügte Jarvi mit einem breiten Lächeln hinzu. Coleman bemühte sich, das Lächeln zu erwidern, was ihm jedoch nicht so recht gelingen wollte. Jarvi sah sofort, dass seinen Freund irgendwelche Sorgen plagten. »Was ist denn los?«, fragte er.
»Ach, nichts – nur so eine Sache, die ich zu erledigen habe.«
Jarvi wurde von einem Moment auf den anderen ernst. »Brauchst du Hilfe?«
Coleman schüttelte den Kopf. »Nein – aber danke, dass du fragst. Diesmal bin ich solo unterwegs.«
Jarvi runzelte missbilligend die Stirn. Kein SEAL hörte es gerne, wenn ein anderer SEAL das Wort solo in den Mund nahm. Sie waren von ihrer Ausbildung her darauf getrimmt, alles in Teams oder zumindest zu zweit durchzuführen. »Scott, du brauchst nur ein Wort zu sagen, dann bin ich dabei.«
»Danke, Sam, aber das hier muss ich allein durchziehen.« Coleman klopfte ihm auf die Schulter. »Mir passiert schon nichts.«
Jarvi nickte ernst. »Okay, dann komm mit.« Er beugte sich hinunter, um den schweren Kasten aufzuheben. »Scheiße, was hast du denn da drin?«
»Werkzeug«, antwortete Coleman lächelnd.
»Und ich will gar nicht wissen, was drin ist, oder?«
»Nein.«
Jarvi führte seinen Freund zu einem Pier hinunter. »Ich habe ein Whaler-Boot aufgetankt, das mit einem Hundertfünfzig-PS-Außenborder ausgerüstet ist. Das Boot hat das ganze neue Navigationszeug an Bord – Global Positioning System, Echolot, alles, was du dir vorstellen kannst. Diese kleinen Scheißer hier können ohne Computer und Satelliten keine zehn Meter weit fahren, ohne sich zu verirren.«
Coleman sprang ins Boot und nahm Jarvi den Kasten ab. Er ließ den Motor an, während Jarvi die Leinen löste und das Boot mit dem Fuß vom Pier abstieß. »Wenn du es kaputtmachst, musst du’s bezahlen.«
»Ich bringe es dir heil zurück.« Coleman setzte das Boot in Bewegung und rief über die Schulter: »Hey, Sam, wenn das FBI nach mir sucht, sag ihnen bitte, du hast mich nicht gesehen.«
»Kein Problem, Bruder«, versicherte Jarvi und verabschiedete sich von seinem alten Freund mit einem militärischen Gruß.
Coleman stand hinter der kleinen Konsole des Bootes und drückte den Leistungshebel bis zum Anschlag durch. Das Dröhnen des Außenborders nahm mit der Geschwindigkeit zu. Das Kielwasser schäumte hinter dem kleinen weißen Boot auf, als es den Hafen hinter sich ließ und auf die weite Chesapeake Bay zusteuerte.
Als Coleman Greenbury Point hinter sich gelassen hatte, durchquerte er die Fahrrinne in südöstlicher Richtung und rief Stansfield an, um ihm den Treffpunkt zu nennen – eine kleine Sandbank außerhalb der Fahrrinne, die immer bei Ebbe auftauchte. Der Ex-SEAL nahm den Leistungshebel zurück, als er sich der Sandbank näherte, die in Nord-Süd-Richtung verlief und bis zu fünfzehn Meter breit war. An der Nordspitze legte er schließlich an, öffnete den Metallkasten und nahm eine Taschenlampe und eine schwarze Kapuze heraus. Er sah die Kapuze einige Augenblicke an und kam zu dem Schluss, dass er sie brauchte, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Er zog sie über den Kopf und rückte sie zurecht, sodass er durch den schmalen Augenschlitz blicken konnte. Dann griff er nach seiner 9-mm-Glock und steckte sich die Waffe hinten in den Hosenbund.
Er lehnte sich
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