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Das unendliche Blau

Das unendliche Blau

Titel: Das unendliche Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Hohberg
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was ich jetzt tun soll, verdammt noch mal.«
    »Wir warten ab, Lina.« Er greift nach ihrer Faust. »Mehr können wir im Moment nicht tun. Für eine Vermisstenanzeige ist es zu früh. Und außerdem wäre das ein bisschen albern. Deine Mutter ist eine erwachsene Frau, die weiß, was sie tut. Na ja, meistens jedenfalls …«
    Sie sieht hoch. »Was willst du damit sagen?«
    »Ach nichts.« Er nimmt seine Hand von ihrer, steht auf und räumt die Tassen in die Spüle. »Du vergisst, dass ich mal mit Martha verheiratet war.«
    Lina trägt die Kaffeekanne hinterher. »Ich verstehe dich nicht.«
    »Woher auch? Du bist unsere Tochter. Und Kinder müssen nicht alles wissen, was zwischen ihren Eltern passiert.« Er fährt sich mit der linken Hand durch die Haare, als könnte er so zumindest etwas Ordnung auf seinem Kopf machen.
    Lina nimmt den Deckel der Kaffeekanne in die Hand und hält ihn unter den Wasserhahn. »Du wolltest den Knauf damals wieder ankleben, erinnerst du dich?«
    Sein Nicken kommt zeitverzögert. »Ich war nie besonders gut, wenn es darum ging, Dinge zu kitten.«
    Sie dreht sich ruckartig zu ihm um. »Das Schlimme ist nur, dass du damit kokettierst.«
    »Ach, Lina.«
    Sie greift nach einem Küchenhandtuch. Schweigend.
    »Meinst du nicht, du solltest deinen Groll gegen mich langsam mal begraben?«, hält er dagegen. »Ich gebe ja zu, dass ich vieles falsch gemacht habe, aber wer ist schon ohne Fehler? Denkst du, mir geht es immer gut?«
    »O Gott, Papa, das ist jetzt ziemlich platt. Und selbstmitleidig.«
    Sein resignierter Blick prallt an ihrer Wut ab. »Hast du eigentlich wenigstens ein bisschen geschlafen?«, fragt er leise.
    »Schlafen kann man das nicht nennen. Ich bin vorhin auf dem Sofa kurz eingenickt.«
    »Dann sollten wir uns beide etwas hinlegen. Nachher sehen wir dann weiter.«
    »Musst du nicht arbeiten?«
    Er schüttelt den Kopf. »Ich hab denen im Büro gemailt, dass ich heute nicht komme.«
    »Wie geht’s dir dort so?«
    »Willst du das wirklich wissen?«
    »Sonst würde ich nicht fragen.«
    »Nicht besonders. Die Auftragslage war schon mal besser. Irgendwie scheinen die Leute beim Häuserbauen kein Geld mehr in die Hand nehmen zu wollen.«
    Lina kennt das. Diese fortwährende Klage, dass es mit seinem Architekturbüro nicht mehr gut läuft. Früher hatte Hans einige Großkunden, aber die sprangen im Laufe der Jahre ab. Jetzt sind ihm und seinen beiden Kollegen nur ein paar Privatleute geblieben. Ein Schachern um Aufträge hat begonnen, hochfliegende Träume haben irgendwann zum Sinkflug angesetzt.
    »Da werden deine Freundinnen ja nicht begeistert sein«, entgegnet sie. »Keine tollen Reisen mehr. Keine teuren Restaurants. Keine …«
    »Es gibt keine Freundinnen, Lina«, unterbricht er sie. »Nicht mal eine. Da ist niemand in meinem Leben.«
    »Soll ich nun vielleicht Mitleid haben?«
    »Das erwarte ich nicht.«
    »Na ja, wenigstens ein Fortschritt.«
    Er beißt sich auf die Unterlippe. »Du kannst mir nicht vorwerfen, dass ich nicht oft genug versucht hätte, mit dir zu reden.«
    »Ja, ja, diese Papa-ist-doch-eigentlich-ganz-nett-Gespräche. Es ging dir immer nur darum, dich in ein möglichst gutes Licht zu setzen. Damit dein Bild von dir nur keine Schrammen bekam. Mama und ich waren dir doch im Grunde völlig egal.«
    »Das stimmt nicht«, hält er matt dagegen.
    »Das gefällt dir nur nicht«, kontert sie.
    »Wird das hier jetzt eine Generalabrechnung?«
    »Nein, dafür bin ich zu müde.«
    »Na, zumindest in diesem Punkt sind wir uns einig.« Er wendet sich zur Tür. »Aber vielleicht sollten wir doch noch mal …, ich meine … irgendwann Frieden schließen.«
    Sie wirft das Küchenhandtuch auf einen der Stühle. »Du verstehst es nach wie vor, in den ungünstigsten Situationen die ganz großen Themen aufzumachen.«
    Er legt die Handflächen aneinander und reibt sie leise hin und her. Eine Geste, die bei ihm schon immer signalisiert hat, dass ihm die Worte ausgehen. »Okay, Lina. Ich leg mich mal auf die Couch«, sagt er jetzt.
     
    Als sie eine Viertelstunde später in ihrem Bett liegt, hört sie unten die Toilettenspülung, sieben leise Schritte, das Schließen der Wohnzimmertür. Dann ist alles still. Eine Stille, die in ihre Gedanken kriecht und dort binnen Sekunden jeden Kubikmillimeter in Beschlag nimmt. Eine Stille, die Bilder mit sich bringt. Leise, watteweiche Bilder, die sich die Schwerelosigkeit vor dem Einschlafen zunutze machen, um vorbeizusegeln. Eine Windjammerparade

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