Das Ungeheuer
Medikamente.
Als er aus dem Badezimmer zurückkam, saß Jorge vor dem Fernseher im Wohnzimmer und wanderte ziellos durch die Kanäle. Victor machte sofort wieder kehrt und ging nach
oben. Zu seinem Leidwesen stand Jorge auf und folgte ihm. Aber im Arbeitszimmer gelang es Victor, Jorges Interesse erneut auf den Fernseher zu lenken. Victor trat ins Nebenzimmer und fand nach kurzer Suche den kleinen schwarzen Koffer.
Er nahm eine Handvoll Seconal, Valium und Dalmane heraus, steckte die Pillen in die Hosentasche und stellte den Koffer an seinen Platz zurück. Wieder im Arbeitszimmer, sah er, daß Jorge inzwischen das spanischsprachige Kabelprogramm entdeckt hatte.
»Ich nehme gewöhnlich einen Drink, wenn ich nach Hause komme«, sagte Victor. »Kann ich Ihnen irgendwas anbieten?«
»Was haben Sie denn?« fragte Jorge, ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden.
»So ziemlich alles«, antwortete Victor. »Wie wär's, wenn ich uns eine Margarita mixen würde?«
»Was ist denn eine Margarita?«
Die Frage verblüffte Victor; er hatte gedacht, Margarita wäre ein beliebter südamerikanischer Drink. Nun, vielleicht war es eher was Mexikanisches als Südamerikanisches. Er erklärte Jorge, was eine Margarita war.
»Ich trinke das, was Sie trinken«, sagte Jorge.
Victor ging hinunter in die Küche. Jorge folgte ihm, setzte sich aber gleich wieder vor den Fernseher im Wohnzimmer. Victor nahm alle Zutaten aus dem Schrank, einschließlich des Salzes. Er mixte die Drinks in einem kleinen Glaskrug, und dann, nachdem er sich noch einmal vergewissert hatte, daß Jorge ihn nicht beachtete, brach er die einzelnen Kapseln auf und schüttete den Inhalt in die Flüssigkeit in dem Glaskrug. Zuletzt warf er das Valium hinein. Danach rührte er das Gebräu kräftig durch. Trotzdem war immer noch ein leichter Bodensatz auf dem Grunde des Krugs zu sehen. Er kippte das Zeug kurzerhand in den Mixbecher und schüttelte es ordentlich durch. Anschließend goß er es in den Glaskrug zurück, wartete, bis sich die Flüssigkeit beruhigt
hatte, und hielt den Krug dann gegen das Licht. Jetzt war kein Bodensatz mehr zu sehen. Victor schätzte, daß die Mixtur genügend Knockout-Power enthielt, um einen Elefanten in Tief schlaf zu versetzen.
Victor benetzte sich vorsichtig die Lippen mit dem Gebräu. Es hatte einen bitteren Nachgeschmack, aber wenn Jorge noch nie eine Margarita getrunken hatte, würde er den Unterschied nicht bemerken. Als nächstes versah Victor die Gläser mit einem stilechten Salzrand. Sein eigenes Glas schenkte er mit reinem Zitronensaft voll. Als er fertig war, trug er die beiden eingeschenkten Drinks und den Glaskrug ins Wohnzimmer und stellte sie auf den Kaffeetisch.
Jorge kippte seinen Drink hinunter, ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden. Victor lehnte sich zurück und schaute sich ebenfalls das Programm an. Es schien sich um irgendeine Seifenoper zu handeln. Victor konnte zwar kein Spanisch, aber die Handlung war so simpel, daß er schnell begriff, worum es ging.
Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie Jorge sich zum Tisch vorbeugte und sich noch ein Glas einschenkte. Victor war froh, daß ihm das Zeug so gut schmeckte. Die ersten Anzeichen, daß es seine Wirkung tat, kamen ziemlich rasch. Jorge begann zu blinzeln. Es fiel ihm zusehends schwerer, seinen Blick auf den Bildschirm zu konzentrieren. Schließlich sah er zu Victor hinüber; seine Augen waren bereits glasig, und er konnte sie nur mit Mühe offenhalten. Der Alkohol mußte die Drogen sehr rasch und wirkungsvoll in seine Blutbahn befördert haben. Er hatte sein zweites Glas kaum angerührt, und schon jetzt konnte er kaum noch die Augen offenhalten.
Mit einem schlingernden Ruck versuchte Jorge aufzustehen. Er mußte begriffen haben, was passiert war, denn er schleuderte sein Glas mit einem wütenden Knurren quer durch den Raum. Mit torkelnden Schritten näherte er sich dem Telefon. Victor stellte blitzschnell sein Glas ab und packte Jorge von hinten, als er versuchte, den Hörer abzuheben und zu wählen. Jorge bemühte sich verzweifelt, sein Messer aus dem Stiefel zu ziehen, aber seine Bewegungen waren so unkoordiniert und träge, daß Victor nicht die geringste Mühe hatte, ihn zu entwaffnen. Keine Minute später schlief Jorge tief und fest. Victor wuchtete den schlaffen Körper des Südamerikaners auf die Couch. Dann holte er von oben eine Ampulle parenterales Valium, das er dort aufbewahrte, und injizierte dem Mann zusätzlich zehn Milligramm intramuskulär,
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