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Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Titel: Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Puljic
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mithilfe der Sonne und der Filter in den Rohren und Behältern hier.“ Haron hätte das meterhohe Gebilde, das sich an der hinteren Wand der Gärten entlang zog, eher als Tank bezeichnet, aber er verstand ihre Ausführung.
    Und auch den weichen, vielschichtigen Geschmack, den das Fehlen der zugesetzten Chemikalien offenbart hatte. Zum ersten Mal seit seinem Unfall stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht.
    Ja, er war lebendig. Und er hatte vor, es verdammt noch mal auch zu bleiben.
     
    Haron blieb über eine Woche in der Unterstadt zu Gast. Der Schlafraum, der ihm zur Verfügung gestellt worden war, befand sich abseits der eigentlichen Wohnnischen. Doch wohin er auch ging, wurde er wie ein Freund begrüßt, sodass er sich weder einsam noch unerwünscht fühlte.
    Es war ein merkwürdiges Gefühl der Offenheit, das er empfand. In seinem Viertel gab es einige Familien und sogar etwas Ähnliches wie Freundschaft – aber immer war das unterschwellige Misstrauen allen außer der eigenen Familie gegenüber spürbar. Jeder zog sich in den kleinen Kreis seiner engsten Vertrauten zurück. Wer zu enge Bande zu Außenstehenden knüpfte, riskierte von ihnen verraten zu werden oder selbst in die Situation zu kommen, einen Freund für das eigene Wohl opfern zu müssen.
    Wer draußen überleben wollte, musste lernen, innerlich so kalt zu werden wie ein Klon. Hier dagegen umfasste der Kreis jeden Einzelnen, von den Alten bis hin zu den Kindern. Es gab keinen Kampf um das Überleben des Stärkeren, sie kämpften gemeinsam um das Überleben aller.
    Es war Xenos, der sich eines Abends an Harons Seite setzte.
    „Mein Freund, du bist uns ein willkommener Gast. Es wäre uns eine Freude, wenn du dich unserer Familie anschließen würdest.“ Mit diesen Worten reichte er ihm das Messer, mit denen Kinder ihr Erwachsenendasein antraten. Als Haron endlich den Blick von der scharfen Schneide in seiner zitternden Hand nahm, war Xenos bereits wieder fort.
    Er hatte die Übergabe der verzierten Klinge einige Male mitverfolgt. Meistens waren es die Eltern, die sie ihren Kindern anboten. Die Einladung, in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen zu werden. Die Aufforderung, sich die erste Narbe zuzufügen. Keines der Kinder hatte die Klinge abgelehnt, sie schienen diese Geste freudig zu erwarten.
    Haron hatte Maretha an seinem ersten Tag auf die Unversehrtheit der Kinder angesprochen, woraufhin sie ihn mit verächtlichem Entsetzen angesehen hatte – soweit er das aus ihrem zerstörten Gesicht hatte ablesen können. „Es sind unsere Kinder! Sie sind das Wertvollste, das wir haben – denkst du, wir zerfleischen sie?“
    Nein , dachte Haron. Ihr fordert sie auf, es selbst zu tun.
    Stumm stand er auf und machte sich auf den Weg in seine Schlafkammer. Er löschte das Licht und schloss den Vorhang, was die Dunkelheit zwar nicht vollkommen, aber erträglich machte. Vorsichtig entkleidete er sich und legte seine Sachen auf die mit Decken gepolsterte Bank, die als sein Bett diente. Dann nahm er die Klinge zur Hand.
    Er atmete einige Male tief durch, ehe er die Spitze oberhalb seiner linken Brustwarze ansetzte. Der erste Schnitt war zögerlich und brannte, obwohl er ertasten konnte, dass er nicht tief genug gewesen war, um Blut fließen zu lassen. Noch einmal setzte er an, schloss die Augen und zog durch. Er fühlte feuchte Wärme langsam seine Brust herabfließen, aber statt des Schmerzes, den er erwartet hatte, spürte er eine heiße Euphorie, die sich in ihm ausbreitete.
    Wieder zog er die Klinge durch sein Fleisch, ließ seine Wut, seine Trauer, all das Schlechte aus sich herausfließen in einem ungesehenen, roten Strom. Ließ sich füllen von der Leichtigkeit der Freude. Schnitt um Schnitt führte er das Messer, ließ sich von den Bildern seiner Emotionen leiten und kreierte blind das Abbild seiner Lebensgeschichte auf seiner eigenen Haut.
    Als er die Klinge schließlich beiseitelegte, schwankte er unter der Gewalt des Blutverlustes und der Erinnerungen, die er neu durchlebt hatte. Aber er lachte, mit freiem Herzen und offenem Geist.
    Xenos versorgte seine Wunden, obwohl er sich nicht erinnern konnte, wie er in seinen Behandlungsraum gekommen war. In einige der sich kreuzenden und kringelnden Schnitte auf Harons Körper strich er die übelriechende schwarze Farbe, die das entstehende Narbengewebe färben sollte.
    Eine Anerkennung, die viele erst nach Jahren erhielten. Haron hatte angenommen, dass das Auftragen der Farbe unangenehm sein musste, doch

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