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Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Titel: Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Puljic
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Schritt weit Richtung Ausgang bewegte.
    In der abwartenden Stille dröhnte das leise Klicken einer Tür überdeutlich aus dem vorderen Bereich des Raums. Leichte, langsame Schritte waren zu hören. Ein junger Mann in blauer Robe kam vor den Bänken zum Stehen und mit einem Mal ging eine Welle der Erleichterung durch die Anwesenden. Er konnte nicht viel älter sein als Niove, trotzdem war es eindeutig seine Ankunft, die die Anspannung der versammelten Gemeinschaft verschwinden lassen hatte.
    Neugierig geworden beobachtete Niove, wie der Blaue den Gläubigen zaghaft zulächelte und sich anschließend tief vor der Kanzel verbeugte, ehe er sich davor auf die Knie sinken ließ.
    Scheinbar war damit der Beginn einer speziellen Zeremonie eingeläutet, denn der Alte auf der Kanzel aktivierte den Monitor, der sein hageres Gesicht auch den hintersten Reihen aufzwang. Nach einem abschließenden, vorwurfsvollen Blick in die Runde begann er seine Rede.
    „Ihr alle seid heute hier, weil ihr diesen Jungen gut kennt. Ihr habt ihn aufwachsen gesehen, zum Mann heranreifen, die Armen versorgen und die Geplagten trösten. Aber “, und in dieses Wort legte er so viel Vorwurf und Groll, dass selbst Niove von einem kalten Schauer durchfahren wurde, der ihr eine Gänsehaut verursachte, „ihr habt auch zugesehen, wie dieser Junge diese Aufgaben übernommen hat, obwohl er nicht dazu befugt war!“
    Sein Finger deutete zitternd auf den Knienden, während er geifernd fortfuhr.
    „Auch ich kenne diesen Jungen. Ich habe ihn in meiner Abtei aufgenommen, als er kaum laufen konnte. Ich habe ihn durchgefüttert, ausgebildet und ihm eine Möglichkeit gegeben. Die Möglichkeit, sich selbst zu beweisen. Und heute bin ich hier, um ein Versäumnis nachzuholen.“
    Seine Augen hatten einen beunruhigenden Glanz angenommen, der Niove fürchten ließ, er würde den jungen Mann hier und jetzt in religiösem Eifer erschlagen. Aber als sie sich verstohlen umsah, sah sie keine Angst auf den Gesichtern der anderen, im Gegenteil – manche lächelten sogar.
    Sie wandte sich wieder der Kanzel zu und verfolgte, wie der Priester von dort herabstieg und sich vor dem Jüngeren aufbaute, mit der Selbstbewusstheit eines Mannes, der es gewohnt war, keinen Widerspruch zu erhalten. Ja, seiner Körpersprache nach kannte er den Jungen, kannte ihn als ein Kind, das vor ihm kroch. Als dieser allerdings den Kopf hob und zu dem Prediger aufsah, drängte sich Niove die Frage auf, ob er auch den Mann kannte, der aus ihm geworden war.
    Einen Augenblick lang war das mentale Kräftemessen der beiden bis in den hintersten Winkel der Gebetshalle spürbar und die Unruhe begann, zurückzukehren. Dann sprach der Ältere, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen.
    „Atlan, du warst der jüngste Novize, den ich jemals ausgebildet habe. Du warst Ektor ein guter Schüler und hast seiner Gemeinde zu einem überraschenden Aufschwung verholfen.“
    Er trat einen Schritt näher und legte eine Hand auf die Schulter des Adepten.
    „Das Kloster bedauert, dich nach Ektors Tod mit dieser Last alleine gelassen zu haben, auch wenn wir erst zu spät von diesem Zustand in Kenntnis gesetzt wurden.“
    Ungesehen presste Niove ihre eigene Hand vor den Mund, als sie die weiße Färbung sah, die die Knöchel des Predigers annahmen. Seine Finger mussten sich schmerzhaft in das Fleisch des Jüngeren graben, aber dieser verzog keine Miene. Schließlich ließ der Priester von ihm ab und setzte ein säuerliches Lächeln auf.
    „Du hast diese schwere Bürde zu unserer Überraschung mit großem Einsatz getragen. Deshalb freue ich mich, dich heute zu einem vollwertigen Priester unseres Glaubens zu weihen.“
    Mit diesen Worten griff er in eine kleine Truhe, die im Schatten der Kanzel bereitgestanden hatte, und zog ein schwarzes Gewand hervor, das seinem eigenen ähnelte. Atlan erhob sich und ließ es sich um die Schultern legen. Selbst der Gesichtsausdruck des Alten, der aussah als würde er seinem ehemaligen Schüler am liebsten ins Gesicht spucken, änderte nichts an dem sichtlichen Stolz, den der junge Priester empfand.
    Er verbeugte sich nochmals, doch dieses Mal auf eine Art, die deutlich machte, dass er im Rang jetzt nicht mehr allzu weit unter dem Älteren stand. Dann erklomm er selbst die Kanzel. Oben angekommen war ihm die durch Routine gewonnene Sicherheit anzusehen, die er dort empfand. Ebenso wie die Freude, mit der er seine Gemeinde begrüßte.
    Niove war erstaunt über den sanften, einnehmenden Klang

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