Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Titel: Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Puljic
Vom Netzwerk:
Außenmauer noch. Und sie hatte Fensterlöcher, die nahezu gänzlich leer waren und Ostwan den Aufstieg ermöglichen würden. Auf ein Kopfnicken von Haron hin begann er, flink und ohne das geringste Anzeichen von Schwindelgefühlen in die Höhe zu klettern. Er war in der Unterstadt geboren worden und hatte sämtliche Höhlen und Zugänge erklommen, seit er sich auf den Beinen hatte halten können, was ihn zu einem essentiellen Teil ihrer Gruppe machte.
    Stück für Stück kroch er behände die Fassade hinauf, wechselte dabei zweimal die Fensterreihe, weil das Mauerwerk unter seinen tastenden Händen nachgab. Die unten Wartenden zuckten bei jedem Steinchen zusammen, das auf dem Boden aufschlug, aber schließlich hatte Ostwan es geschafft. Wie ein potentieller Selbstmörder stand er an die äußerste Kante des obersten Stockwerks gepresst. Selbst von unten konnten sie das krampfhafte Heben und Senken seines Brustkorbes sehen, während er seine Muskeln erholte, bevor er den entscheidenden Sprung tat.
    Die Räume des verlassenen Gebäudes waren deutlich niedriger als die des Centers, sodass das Fenster vom dritten Stockwerk des Centers nur gut einen halben Meter unter ihm lag. Die Fenstervorsprünge waren jedoch zu schmal, um darauf zu landen, sodass er nur eine Wahl hatte: Er musste durch das geschlossene Fenster hindurch springen.
    Haron war überzeugt, dass Ostwan nie in diesen ohnehin waghalsigen Plan eingewilligt hätte, hätte er von dem Sicherheitsglas gewusst, das in den meisten wichtigen Gebäuden eingesetzt wurde. Er konnte nur hoffen, dass Xenos auch hier mit seiner Information richtig lag, und die Fenster lieber blickdicht als bruchsicher gemacht worden waren.
    Ostwan sprang zielsicher, mit den Füßen voran, um das Glas zu durchschlagen. Haron und Ariat hielten den Atem an, dann zerbrach ein ohrenbetäubendes Klirren die Stille. Hastig wichen sie einige Schritte weit zurück, als ein Teil der Scherben nach außen hin zu Boden fiel. Sie horchten angespannt in die Nacht hinein, abwartend, ob jemand kommen würde. Aber nach einigen Sekunden der Stille tauchte nur Ostwans Kopf in der Fensteröffnung auf. Er winkte ihnen zu und ließ dann das Seil herab, das er um die Hüfte geschlungen getragen hatte.
    Haron atmete auf. Keine Alarmanlage ertönte, also war die Sicherheitstechnik wie versprochen abgeschaltet. Nur Unterweltler konnten so naiv sein, einem solchen Plan zuzustimmen, ohne sich selbst abzusichern. So viel Xenos auch auf ihn zählen und von seinen Ideen halten mochte – hätte auch nur ein Teil dieses Einsatzes nicht funktioniert, Haron hätte seine Gruppe ohne zu zögern zurückgelassen. Nicht aus fehlender Kollegialität – aber wo Haron aufgewachsen war, kam man nicht weit, indem man das Wohl anderer über das eigene stellte. Sianna war sein Leben lang die einzige Ausnahme gewesen, und er würde niemanden ihren Platz einnehmen lassen.
    Sie erklommen mit einiger Mühe das Seil und glitten neben Ostwan zu Boden. Trotz ihres Erfolges weiter bemüht, keinen unnötigen Lärm zu machen, huschten sie in die ihnen beschriebene Richtung. Dort sollte sich ein kleiner Lastenaufzug befinden, mit dem sie in die obersten Stockwerke gelangen würden. Sie fanden ihn ohne Mühe, doch als Haron den Rufknopf betätigte und sich nach seinen Begleitern umsah, bemerkte er Ostwans Hinken. Und die Blutspur, die er hinter sich herzog.
    „Verdammt“, flüsterte Haron ihm zu, „was ist mit deinem Bein?“
    „Nur eine Schramme“, kam die Antwort. „Als ich durch das Fenster gesprungen bin. Es ist nichts, nur eine weitere Narbe.“ Aus Ostwan sprach ein geborener Purist, dickköpfig und zu keinerlei Logik fähig.
    „Du blutest alles voll, du Idiot! Setz dich hin und verbinde die Wunde, sonst kippst du noch um. Warte hier auf uns, tragen können wir dich nicht.“
    Mit diesen Worten schob er Ariat in den Lastenaufzug und knallte Ostwan die Tür vor der Nase zu.
    Er würde mit Xenos sprechen müssen. Mit solchen Leuten würden sie nie etwas bewegen können. Sie besaßen keinerlei Inspiration, selbst das eigene Überleben war ihnen nicht wichtig. Er hatte Monate gebraucht, um sie davon zu überzeugen, dass niemand ihren stummen Protest sehen konnte, wenn sie sich nicht in der Öffentlichkeit zeigten.
    Narren. Er verstand nicht, wieso Xenos nicht härter durchgriff.
    Haron besah sich das zitternde Häufchen Mensch an seiner Seite. Warum sie ihm zugeteilt worden war, verstand er genauso wenig. Die noch roten Narben in ihrem

Weitere Kostenlose Bücher