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Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Titel: Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Puljic
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suchte.
    „Lorio“, grüßte er daher ohne weitere Höflichkeitsfloskeln. „Erst wirfst du mich aus deinem Haus, und dann suchst du mich in meinem eigenen auf? Die Mühe hättest du dir sparen können.“
    Der Abt ballte die Hände zu Fäusten und kam drohend näher, nicht gewillt, sich dem Jüngeren unterlegen zu zeigen, auch wenn der ihn mittlerweile um einen halben Kopf überragte.
    „Du weißt genau, warum ich hergekommen bin“, zischte er Atlan an. „Du bist es, der hinter dieser Verschwörung steckt, nicht wahr? Deshalb bist du zu mir gekommen. Du wolltest etwas. Aber ich habe dich abgewiesen und jetzt hetzt du die anderen Häuser gegen mich auf. Ist es nicht so?“
    „Ich muss dich enttäuschen, Bruder. Ich bin nicht so ambitioniert, wie du glaubst. Ich habe dich nicht aufgesucht, um dir deine Nachfolge streitig zu machen. Und schon gar nicht möchte ich für ein ganzes Netzwerk an Gebetsstätten verantwortlich sein. Es ist dir vielleicht entgangen“, unterbrach er den bereits wieder aufbrausenden Priester, „aber ich habe hier ein eigenes Haus, um das ich mich kümmern muss und dem es nicht an Anhängern mangelt. Das bedeutet mehr als genug Arbeit für mich. Deinen Posten auch noch besetzen zu wollen – glaub mir, nichts liegt mir ferner.“
    Lorios Stimme mutierte zu einem heiseren Kreischen, das von den kahlen Wänden widerhallte. „Du wagst es, dich über mich lustig zu machen?“
    Als Atlan nicht widersprach, geriet er noch weiter außer sich.
    „Denk nicht, dass ich über deine Machenschaften nicht Bescheid weiß. Du bist genauso ein Ketzer wie die anderen, dein Haus ist Teil dieses Aufstandes! Denkst du, ich hätte es nicht in den Listen gelesen?“
    Atlan ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. So viele Jahre hatte er Lorios Wut gefürchtet, aber das war in einem anderen Leben gewesen, in dem er den wahren Schmerz noch nicht gekannt hatte. Jetzt konnte er ihm nur noch mit der gelassenen Überlegenheit begegnen, die Lorio derart aus der Fassung brachte.
    „Natürlich habe ich mich ihnen angeschlossen. Aber mir einen Einfall wie diesen zu unterstellen, ist zu viel der Ehre. Und von Häresie würde ich dabei auch nicht sprechen. Eigentlich verfolgen wir die heiligen Worte jetzt nur umso genauer: Wir geben den Bedürftigen, helfen den Schwachen.
    Wer stark genug ist, Attentate zu planen und durchzuführen, ist auf unsere Hilfe weder angewiesen noch berechtigt, sie einzufordern. Im Gegenteil, mein Bruder“, erklärte er sachlich, während Lorio das Blut zu Kopf stieg und ihm die Haut bis unter die dünn gesäten Haare rötete, „ich glaube, man könnte eher sagen: Ketzerei ist es, den reuelosen Sündern zur Seite zu stehen.“
    Damit wandte er sich von dem vor Wut bebenden Priester ab. „Wenn du mich entschuldigen würdest, ich muss meine Vorbereitungen für die Messe zu Ende führen. Ich danke dir für deinen Besuch, Bruder. Aber wie ich dir bereits gesagt habe: Den Weg hättest du dir sparen können.“
    Hinter ihm schepperte es, als eine der Stehlampen Lorios Zorn zum Opfer fiel, aber er ging unbeirrt und ohne sich umzusehen weiter. Er hatte die Tür zu den Wohnräumen beinahe erreicht, als endlich Lorios hinausstürmende Schritte hörte, gefolgt vom Krachen der schweren Doppeltür. Dann erst erlaubte er dem erleichterten Seufzer, ihn zu verlassen.
    Atlan war froh, dass das Kloster derart von der Welt abgeschottet war. Lorio hatte nicht gewusst, in welche Stätte sein früherer jüngerer Bruder gebracht worden war. Selbst wenn, wäre es unwahrscheinlich gewesen, dass er den Weg hierher gekannt hätte. Er hatte Peron um Hilfe bitten müssen – und diesem damit die Möglichkeit gegeben, Atlan und die anderen über diesen eigenwilligen Schritt des Abtes zu informieren.
    Dadurch hatte Atlan den nötigen zeitlichen Vorsprung bekommen, um sich auf die Konfrontation vorzubereiten.
    Davon abgesehen schien alles nach ihren Plänen zu laufen. Lorio war dabei, seinen eigenen Ruf und seine Macht weiter zu untergraben. Eigentlich blieb ihnen nur noch, abzuwarten und zuzusehen, wie der Irrsinn sich selbst ausbrannte, damit ein Neubeginn stattfinden konnte.
    Mit einer Mischung aus Beunruhigung und Stolz betrachtete er an diesem Abend die Massen, die sich zur Messe eingefunden hatten. Seit er die Predigten in der Gebetsstätte hielt, hatte die Zahl der Gläubigen, die sich für sein Haus entschieden, immer weiter zugenommen. Auch seine tiefe Depression in den vor einigen Wochen war für seine Anhänger

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