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Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Titel: Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Puljic
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Einbruch der Nacht bleiben würden. Erfahrungsgemäß benötigte die Straßenbeleuchtung danach exakt sieben Sekunden, um sich an die geänderten Lichtverhältnisse anzupassen.
    Er beschloss, vorsichtshalber die Sicherheitsläden bereits jetzt zu aktivieren. Es würde eine Minute und vierzehn Sekunden dauern, bis die schweren Metallplatten sich an den Schaufenstern herabbewegt hatten und eingerastet waren. Die Überfälle waren zwar bisher nicht bis in seine Straße vorgedrungen, aber es war besser, vorbereitet zu sein.
    Besonders, wenn es um sein Eigentum ging. Sein Haus war zwar weder sonderlich hoch noch war sein Laden besonders groß, aber sie verfügten über ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis. Lentans Gene waren auf Profitgenerierung und Mathematik ausgerichtet, und im Gegensatz zu den meisten anderen seiner Schicht besaß er den Laden nicht nur, sondern betrieb ihn auch selbst. Er hatte die Ersparnis kalkuliert, die der Verzicht auf einen natürlichen Angestellten mit sich brachte. Außerdem lag das Risiko, von den eigenen Angestellten bestohlen zu werden, bei 32,67 Prozent. Gerundet.
    Im Gegensatz zu den meisten anderen seiner Generation widerstrebte es ihm nicht, sich mit natürlichen Kunden abzugeben. Selbst die schwarzgewandeten Priester dieser merkwürdigen Sekte suchten ihn hin und wieder auf. Lentan wusste um die einschüchternde Wirkung, die er auf die Natürlichen hatte, doch das kümmerte ihn nicht weiter. Er beobachtete sie mit einer Art empirischem Interesse. Solange der Kontakt auf seinen Laden beschränkt blieb, war es eine lohnende Investition von Zeit und Interaktion.
    Außerdem musste er sich, anders als beispielsweise die Angestellten des N4, nicht einmal der freien Luft aussetzen. Durch den Aufzug im hinteren Teil seines Ladens konnte er direkt in das darüberliegende Lager und die Wohnräume in den obersten Geschoßen gelangen. Das Haus hatte die größtmögliche Höhe, um noch mit einem durchgehenden Lift ausgestattet sein zu können.
    Die Sicherheitsläden waren halb an den raumhohen Schaufenstern herabgeglitten, als das Splittern von Glas Lentan aufsehen ließ. Sein erster Gedanke beim Anblick der vermummten Gestalten war, dass sich das Sicherheitsglas doch ausgezahlt hätte. Aber die Statistik hatte besagt, dass nur 11,83 Prozent aller Einbrüche in Lebensmittelläden stattfanden. Daten waren das begehrtere Gut, und die erhielt man meistens nicht, indem man Fenster zerschlug. Allerdings hatten die Statistiken auch nicht das Auftauchen dieser Rebellen vorhergesagt.
    Dann wurde der Vermummte auf ihn aufmerksam, stutzte kurz und rief, als Lentan sich immer noch nicht in Bewegung setzte: „Hey, hier ist jemand! Ein Mutant!“
    Gleich darauf war der Laden angefüllt von Leuten in Verbänden und Fetzen. Die Lebensmittel und anderen Waren beachteten sie nicht mehr, sondern richteten ihre gesamte Aufmerksamkeit auf den Klon. Für viele von ihnen war es der Erste, den sie zu sehen bekamen.
    Lentan durchsuchte sein Gedächtnis nach einer Statistik, die das optimale Verhalten in so einem Fall darlegte, konnte sich jedoch an keine derartige Studie erinnern.
    „Was ist, du Monstrum? Hat man dir nicht einprogrammiert, wie man wegläuft?“, höhnte der erste Ankömmling.
    Weglaufen? Lentan berechnete den Weg zum Lift und kam zu dem Ergebnis, dass er es nicht schaffen würde. Ohne seinen Chip würden sie den Aufzug zwar nicht aktivieren können, aber vielleicht wussten sie um die Funktionsweise dieses Mechanismus. Für die Aktivierung war unwesentlich, ob er selbst noch am Leben war, und im Wohntrakt befanden sich seine Frau und sein Sohn.
    Statistisch gesehen war es die beste Vorsorge, einen direkten Nachkommen als Erben einzusetzen. Dieser brauchte für die bestmögliche Entwicklung einen fundierten sozialen Grundstein, genannt Eltern. Allerdings sollte häufiger über das Risiko der emotionalen Anbindung informiert werden, für die auch Angehörige der neuen Generation unter bestimmten Bedingungen anfällig waren.
    Lentan sah in das verhüllte Gesicht und erwiderte ruhig: „Ich bleibe.“
    Die Puristen hielten einen Moment lang noch verwirrt inne. Dann stieß einer der Nachzügler einen Schrei aus, und das Chaos war entfesselt.
    Mit Fäusten, Stöcken, Messern und allem, was gerade greifbar war, stürzten sie sich auf ihn.
    Zweiundsiebzig Verletzungen wurden ihm zugefügt. Statistisch gesehen wäre er bereits nach der Siebzehnten verblutet, wenn ihm nicht zuvor der vierte Schlag den

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