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Das unheimliche Haus

Das unheimliche Haus

Titel: Das unheimliche Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Kalender hatte soeben seine Uniformmütze vom Garderobenhaken genommen. Er war frisch rasiert und duftete ein wenig nach Lavendel.
    »Bleiben Sie«, hechelte der Tabakwarenhändler ganz außer Atem, als er die Tür mit der dreitönigen Ladenglocke hinter sich zugemacht hatte. »Sie werden es nicht für möglich halten, meine Herren, aber unsere Stadt schwimmt in falschen Hundertmarkscheinen.« Er war dafür bekannt, daß er zuweilen übertrieb. »Jedenfalls ist mir einer angedreht worden, und zwar kurz nach elf Uhr.«
    »Falschgeld?« fragte Polizeimeister Kalender, während er im Spiegel prüfte, ob seine Mütze so gerade in der Stirn saß, wie es die Vorschrift verlangte. Er drehte sich mit einem Ruck herum. »Genaue Einzelheiten, wenn ich bitten darf.«
    Herr Bemmelmann berichtete von dem korpulenten Kunden mit Bart und Sonnenbrille. Als er die Schachtel Zigarillos der Marke »Brasilianos« erwähnte, richtete sich Wildenbusch auf. Er hatte bisher beim Waschen seinen Kopf über das Waschbecken gebeugt, und sein Haar war ganz und gar voller Shampooschaum, als wäre er durch Schlagsahne geschwommen. »Diese Marke hat heute ein Mann bei mir gekauft, der genauso aussah, wie Sie ihren Kunden beschrieben haben, Herr Bemmelmann, und er hat auch mit einem Hundertmarkschein berappt.«
    »Vermutlich hätte ich das Falsifikat nie erkannt«, erzählte der Tabakwarenhändler weiter. »Wenn ich nicht...«
    »Was ist ein Falsifikat, bitte schön?« fragte Fritz Treutlein, ohne aufzublicken. Er rasierte dem Chefredakteur der Bad Rittershuder Nachrichten gerade die schwierige Stelle zwischen Oberlippe und Nase.
    »Falsifikate sind Fälschungen, also beispielsweise auch gefälschte Hundertmarkscheine«, erklärte Polizeimeister Kalender. »Aber fahren Sie fort, Herr Bemmelmann.«
    »Also, ich hätte die Blüte für echt gehalten«, fuhr der Tabakwarenhändler fort. »Aber der Bankkassierer hat die Augen schräg gestellt und den Kopf geschüttelt, als ich vorhin die Einnahmen der letzten Tage auf mein Konto einzahlen wollte. Er hat eine ganze Weile an dem neuen Hundertmarkschein herumgefingert, irgendwas stimmt da nicht<, murmelte er. >Die Verdickung am Sicherheitsstreifen ist verdächtig, und der metallische Klang fehlt.< Er blickte mich fast verträumt an. >Wissen Sie, Herr Bemmelmann, daß man echtes Geld am metallischen Klang erkennt, wenn man Fingerspitzen dafür hat?< Er machte seinen Schalter dicht, verschwand mit der Blüte fast zehn Minuten lang hinter einer Tür mit Milchglasscheiben, und als er dann wieder zurückkam, sagte er nur: >Der Schein ist gefälscht, da gibt es keinen Zweifel.< Es würde ihm leid tun, daß ich einem Betrüger aufgesessen sei, aber die Banknote müsse er aus dem Verkehr ziehen, das sei Vorschrift. Ich würde natürlich eine Quittung bekommen, aber die sei nichts wert, und die hundert Mark könne ich in den Wind schreiben.«
    »Ach, du dicker Vater«, meinte Wildenbusch, »dann bin ich vermutlich von demselben Typen genauso geleimt worden.« Vater Treutlein hatte ihm inzwischen den weißen Seifenschaum aus dem Haar gespült und frottierte jetzt seinen Kopf. »Es war ein fast nagelneuer Schein, wenn ich mich richtig erinnere.«
    »Was mich betrifft«, stellte Vater Treutlein befriedigt fest, »ich hab’ heute noch keinen Hunderter kassiert.«
    Polizeimeister Kalender zeigte sein Dienstgesicht. »Wo befindet sich das fragliche Objekt im Augenblick, Herr Wildenbusch?«
    »In meiner Brieftasche«, erwiderte der Zeitungskioskbesitzer. Sein hellbrauner Siamkater lag zusammengerollt wie ein Fußwärmer über seinen Schuhen und rührte sich nicht. »Wenn ich Mittagspause mache, lasse ich vorsichtshalber nie Papiergeld in der Kasse.«
    »Dann muß ich um die Herausgabe ersuchen«, meinte Polizeimeister Kalender mit einem völlig humorlosen Lächeln. »Es könnte sich um ein wichtiges Beweisstück handeln.«
    »Bitte bedienen Sie sich«, entgegnete Herr Wildenbusch. Er griff unter das Handtuch, das ihm Vater Treutlein um den Hals gebunden hatte, und angelte aus seiner Jacke eine Brieftasche.
    »Ich kann nur einen einzigen Hundertmarkschein entdecken«, meinte der Polizeimeister, der die Brieftasche neben der Kasse auf dem kleinen Ladentisch ausgebreitet hatte. »Sie gestatten, Herr Wildenbusch?« Ohne eine Antwort abzuwarten, faßte er die Banknote an einer Ecke mit den Fingerspitzen und ließ sie in einer Plastikhülle verschwinden, die er sich von Friseurmeister Treutlein geben ließ. »Vielleicht sind

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