Das unheimliche Haus
noch Fingerabdrücke auszumachen, die uns weiterhelfen«, meinte er. Dabei gab er dem verdutzten Zeitungskioskbesitzer seine geplünderte Brieftasche zurück.
»Moment mal, soll das heißen, daß ich auch um hundert Mark betrogen bin, genau wie Herr Bemmelmann?« fragte Wildenbusch.
»Wenn es sich herausstellt, daß der Schein gefälscht ist«, erwiderte der Polizeimeister, »werden Sie sich mit diesem Gedanken vertraut machen müssen, fürchte ich.«
»Prost Mahlzeit«, brummte Wildenbusch, und der Kater auf seinen Schuhen gab ein leises Fauchen von sich.
Für Chefredakteur Kubatz war es bisher ratsam gewesen, sich unter dem Rasiermesser von Fritz Treutlein nicht zu rühren. Aber als der Friseurlehrling jetzt die Klinge aus seinem Gesicht nahm, um ihn zum zweitenmal einzuseifen, richtete er sich auf und drehte sich um. »Ich bedaure natürlich Ihre finanziellen Verluste«, sagte er in die Richtung der Herren Bemmelmann und Wildenbusch, »aber was im Augenblick Ihr Pech ist, wird morgen der Aufmacher für meine Zeitung. >Falschgeld in Bad Rittershude<, ich sehe die Schlagzeile auf der ersten Seite schon vor mir.« Er wandte sich an den Friseurlehrling, der bereits den Rasierpinsel aus der Seifenschale nahm. »Tut mir leid, aber wir müssen für heute Schluß machen.« Er riß sich die Serviette aus dem Hemdkragen und hüpfte aus dem schweren Ledersessel.
»Sind Sie da nicht ein wenig voreilig?« fragte Herr Wildenbusch. »Mein Schein kann ja auch echt sein. Sie sollten noch warten, bevor Sie die ganze Stadt in Panik stürzen, was wir Geschäftsleute vielleicht zu spüren bekämen.«
»Ich muß meine Leser warnen«, erwiderte der Chefredakteur. »Ein falscher Hunderter genügt mir.« Er zündete sich noch rasch eine Pfeife an. »Und wenn unsere Geschäfte mit Blüten eingedeckt werden, sind Sie schließlich auch die Gelackmeierten.« Er hechtete durch die Tür, und gleich darauf hörte man ihn mit röhrendem Auspuff abdonnern.
Im Salon hatte es Polizeimeister Kalender plötzlich auch sehr eilig. Er ließ die Tüte mit dem Falsifikat in seiner Uniformjacke verschwinden und machte sich auf die Socken. Sein Funkstreifenwagen parkte um die Ecke.
»Hundert Mark im Eimer«, bemerkte Wildenbusch, »das hat man davon, wenn man ehrlich ist.«
»Verdammter Mist«, knurrte der Tabakwarenhändler. »Zustände sind das wie im finstersten Chicago.«
»Rasieren, wenn Sie schon da sind?« fragte Fritz Treutlein den Herrn Bemmelmann geschäftstüchtig.
Der Junge ist goldrichtig, schmunzelte Vater Treutlein in sich hinein, während er die Haare des Zeitungskioskbesitzers durch den Kamm zog und mit klappernder Schere stutzte.
Die Bad Rittershuder Nachrichten verzichten auf eine Schlagzeile
Und jetzt geschahen ein paar Dinge fast gleichzeitig oder doch ziemlich schnell nacheinander, wie das eben oft so ist.
Es fing damit an, daß sich Polizeimeister Kalender vor der Kreuzung an der Karlstraße auf einmal an ein Fernschreiben erinnerte, das bereits seit ein paar Tagen auf seinem Schreibtisch vor sich hin döste.
Er wäre beinahe bei Rot an der Ampel vorbeigerauscht.
Du liebe Zeit, dachte er, das ist ja nicht zu fassen. Er schaltete sein Martinshorn ein, als die Ampel auf Grün sprang, und zischte los wie kurz zuvor der Chefredakteur der Bad Rittershuder Nachrichten losgezischt war. »Das ist vielleicht ein Ding«, murmelte er, kurvte kurz darauf am Hotel zum Kurfürsten vorbei, bremste auf dem Parkplatz für Dienstfahrzeuge vor dem Rathaus, daß es nur so quietschte, und stürmte über die breite Steintreppe in sein Revier im Erdgeschoß.
Das Fernschreiben lag zusammen mit der Meldung von einem Diebstahl in der Garderobe des Thermalbades unter dem Ventilatorais Briefbeschwerer. Es warnte in dürren Worten vor Falschgeld, das in den nächsten Tagen vermutlich irgendwo in der Bundesrepublik auftauchen würde. Die Fahndung nach einem gewissen Hugo Stielicke und einem Ottokar Sperling war zusammen mit Funkfotos der beiden Gesuchten beigefügt. Sachdienliche Mitteilungen seien umgehend Hauptkommissar Havelstein vom Sonderdezernat K x zuzuleiten, Telefonsammelnummer unter Kripo in Frankfurt...
Polizeimeister Kalender ließ sich nicht einmal die Zeit zum Mützeabnehmen. Er riß den Hörer vom Telefon und drückte hintereinander die Wählertasten. Er mußte sich dreimal verbinden lassen, und dann endlich hatte er ihn.
»Sonderdezernat Havelstein«, meldete sich eine ruhige Stimme.
»Polizeimeister Kalender, ich spreche aus
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