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Das unheimliche Haus

Das unheimliche Haus

Titel: Das unheimliche Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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mehr, dem Studienrat nachzurennen. Zudem bat Oberstudiendirektor Senftleben in diesem Augenblick die Herren des Lehrkörpers zusammen mit den Vertrauensschülern zu sich, und da wurde sie für das anzufertigende Protokoll gebraucht.
    »Dann erledigen wir meine Anfrage bei Gelegenheit eben schriftlich«, meinte der Herr Soundso vom Schulamt. Er bedankte sich und legte auf. Fräulein Kowalski hatte auch dieses Mal seinen Namen nicht mitbekommen. »Also doch Schnee von gestern«, murmelte sie, nahm den Stenoblock und strich ihren Rock glatt.

    Draußen an Dr. Purzers VW-Golf klappte Manuel zur selben Zeit auf dem städtischen Sandkastenpult sein echtes Klassenarbeitsheft zusammen. Auf diesen Moment hatte der Boß der Glorreichen Sieben schon eine ganze Weile ungeduldig gewartet. »Beeilt euch, Männer, beeilt euch«, hatte er immer wieder gedrängelt. Endlich war es soweit. Blitzschnell ließ er das Originalheft exakt an derselben Stelle verschwänden, wo bisher der Zwilling stellvertretend seinen Platz eingenommen hatte. Paul verschloß die studienrätliche Ledermappe und legte sie wieder auf den Beifahrersitz zurück. Manuel Kohl hatte sich währenddessen wieder hinter die Plakatsäule verdünnisiert.
    Karlchen Kubatz transportierte höchst zufrieden den Film in seinem Fotoapparat weiter. Sogar in dieser Situation, wo es um Sekunden gegangen war, hatte er zwischendurch immer wieder Zeit für einen Schnappschuß gefunden. Im Augenblick knipste er Manuel Kohl in seinem Versteck und dann den wartenden Paul Nachtigall. »Beim Diktieren ist mir aufgefallen, daß in meiner Klassenarbeit auch ein kleiner Schnitzer zu reparieren wäre«, meinte er so nebenbei. »Es juckt mich in den Fingern, und die Gelegenheit ist günstig.«
    »Du hast wohl nicht alle Tassen im Schrank«, meinte der Boß und feixte. »Aber du hast recht, so eine Chance ist das reinste Weihnachtsgeschenk.«
    Im selben Augenblick waren wieder diese verdammten Rollschuhe zu hören. Der Sommersprossige kam dieses Mal noch näher heran. Er tanzte im Rhythmus seiner unhörbaren Musik und tat so, als sei er von ihr total hin- und hergerissen.
    »Riecht mir verflucht nach Werkspionage«, stellte Karlchen fest. »Und wenn ich nicht völlig bekloppt bin, kenne ich diese Visage vom Schulhof. Schätze Fünfte oder Sechste...«
    »Ach was, neugierig ist er«, wiegelte der Boß der Glorreichen ab. »Alle diese grünen Rotzlöffel sind neugierig.« Aber trotzdem drohte er mit ausgestrecktem Arm über die Straße hinüber. »Laß dich hier nicht mehr blicken, Honeyboy, du gehst uns auf die Nerven.« Im selben Atemzug fügte er leise hinzu: »Donnerlittchen, eine Minute früher, und wir hätten eine Bauchlandung gemacht.«
    Drüben am Seitenportal waren Emil Langhans und Sputnik erschienen. Ohne sich umzudrehen, trotteten sie die Backsteinmauer entlang. Beide hatten die Hände auf dem Rücken und schienen gemütlich in die Stadt schlendern zu wollen.
    Das bedeutete, daß Dr. Purzer auf dem Rückweg war. Als er dann tatsächlich mit flinken Schritten aus der Schule herauskam und kolossal sportlich über die drei Stufen an der Eingangstreppe sprang, klemmte sich der Boß der Glorreichen hinter das Steuer des zypressengrünen VW-Golf und startete den Motor. Er sprang sofort an und summte wie eine emsige Biene vor sich hin.
    »Hut ab«, rief der Studienrat begeistert. »Das ist ja fabelhaft!«
    »Nicht der Rede wert«, entgegnete Paul Nachtigall bescheiden. Er drehte den Zündschlüssel wieder zurück, verstaute das Handwerkszeug und klappte die Motorhaube zu. »Gute Fahrt, Herr Studienrat.«
    »Aber soll ich nicht trotzdem eine Reparaturwerkstatt aufsuchen?« fragte Dr. Purzer. »Würdest du mir das empfehlen?«
    »Nur wenn Sie unbedingt Ihr Geld aus dem Fenster werfen wollen«, erwiderte der Boß.
    »Das bestimmt nicht«, meinte Dr. Purzer, »aber da wir nun schon von Geld reden«, er hatte seine Brieftasche herausgeholt und entnahm ihr einen Zehnmarkschein. »Ich möchte euch, bestens dankend, zu einer Cola einladen, oder was immer ihr wollt«, sagte er ein wenig verlegen.
    Karlchen Kubatz hatte sich bisher im Hintergrund und im Rücken des Studienrats gehalten. Allerdings nicht nur aus Bescheidenheit. Er machte sich vielmehr diese günstige Position zunutze und schoß hintereinander ein paar Aufnahmen. Dabei war er sehr vorsichtig und wagte es nicht, die Kamera vors Gesicht zu nehmen. Er peilte einfach die Richtung an, feuerte aus der Hüfte wie ein Wildwestcowboy und

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