Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das unheimliche Haus

Das unheimliche Haus

Titel: Das unheimliche Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
Vom Netzwerk:
davon gerieten alle zuerst in eine Art Kichern. Dann lachten sie nacheinander los, daß es knallte, wie wenn man aufgeblasene Papiertüten zum Platzen bringt. Sie schaukelten waghalsig mit ihren Stühlen, waren aufgekratzt und übermütig. Die Welt gehörte in diesem Augenblick ihnen ganz allein.
    Sie beruhigten sich erst wieder einigermaßen, als Ernesto Rinaldo höchstpersönlich die bestellten Eisbecher aus seinem Lokal zu den zwei zusammengeschobenen Tischen auf dem Gehsteig jonglierte.
    »Zum Wohl, Caballeros«, trompetete Sputnik und bediente sich.
    »Ich denke, du wolltest für die nächste Zeit Fakir spielen«, bemerkte der Boß.
    »Das da ist eine exorbitante Ausnahme«, erwiderte der dickliche Junge. »Ich opfere vorübergehend meinen Grundsatz dem Triumph.«
    Tatsächlich ernährte er sich seit einer Woche nur noch von Bananen. Und das war so gekommen: Im Freibad hatten ihn ein halbes Dutzend Gänse aus dem Mädchengymnasium angemacht. Sie hatten ihm »Hallo Dicker!« nachgerufen und hinter ihm hergekichert, als er nur in Badehose und mit Astronautenmütze unter die Dusche spaziert war. Da hatte es bei ihm geklingelt, und er hatte erklärt, daß jetzt etwas passieren müßte. Er sei wirklich zu dick, und seine Muskeln wären wie Pudding. Keiner hatte ihm widersprochen. »Da helfen nur Bananen. Sie sind das sicherste Mittel, um abzunehmen, und außerdem gut für die Nerven. Affen futtern bekanntlich in der Hauptsache Bananen.« Ob einer schon jemals einen fetten Affen gesichtet hätte?
    »Die bleiben doch nur mager, weil sie pausenlos in den Bäumen rumturnen«, hatte Karlchen Kubatz widersprochen. »Du solltest dich mehr bewegen, da liegt der Hund begraben.«
    »Quatsch, es liegt an den Bananen, hab’ ich schwarz auf weiß in Reader’s Digest gelesen.« Seitdem hielt Sputnik sich eisern an seine Bananendiät. Bis auf die heutige Ausnahme, wie gesagt.
    Die Sonne knallte auf die Jalousien, und so ein Eisbecher war bei dieser Hitze genau das richtige.
    »Wann wird Purzer die Klassenarbeit wohl korrigieren?« überlegte Emil Langhans zwischen dem Löffeln. »Heute noch oder erst morgen?«
    »Zuerst muß er uns ja die Aufsätze vom Montag zurückgeben«, bemerkte Hans Pigge, dessen Eltern die Apotheke am Karlsplatz gehörte.
    »Mir eilt es überhaupt nicht«, meinte Manuel Kohl mit einem schiefen Lächeln. »Ich hab’ ein ziemlich mulmiges Gefühl im Magen, und mir geht’s wie dem Mann, der aus dem zehnten Stock gefallen ist. Bei jedem Stockwerk denkt er: Soweit ist’s gutgegangen.«
    »Mach dir nicht in die Hose«, tröstete ihn Karlchen Kubatz. Dabei ging er in die Hocke und knipste die Runde der Eis futternden Glorreichen. Selbstverständlich wollte er auch die Siegesfeier auf seinem Film haben. »Für diese Arbeit muß er dir eine
    Zwei geben, und dann kann er dich nicht mehr Sitzenbleiben lassen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.« Seine Minox klickte jetzt schon zum fünften- oder sechstenmal.
    »Schön wär’s ja«, sagte Manuel Kohl. Als einziger hatte er seinen Eisbecher noch gar nicht angerührt.
    Die anderen hatten sich inzwischen längst durch die Sahne durchgelöffelt.
    Als Paul Nachtigall gerade seine Kugel Erdbeereis verdrückt hatte und auf Vanille umstieg, hörte er Rollschuhe. Er blickte auf und boxte Karlchen Kubatz seinen Ellbogen in die Seite. »Guck mal, da ist wieder unser San-Francisco-Knabe.«
    Tatsächlich rollte der sommersprossige Junge dicht an ihnen vorbei. Er hatte immer noch seinen Kopfhörer über den Ohren und bewegte seinen dürren Oberkörper, als ob er tanzen würde. Er hatte die Augen starr auf den Boden gerichtet, sprang jetzt mit einem gekonnten Sprung, die Beine aus der Hüfte elegant eingeknickt, über einen Blumenkasten, der Rinaldos Eisdiele begrenzte, und kurvte auf die andere Straßenseite hinüber. Dort schlich er eine Weile hin und her wie ein Schlittschuhläufer, hatte die Arme auf dem Rücken verschränkt und die Nase in der Luft. Ganz plötzlich war er dann hinter den Büschen des Kurparks verschwunden.
    »Gefällt mir nicht, gefällt mir überhaupt nicht«, murmelte der Boß. »Irgendwas ist faul an dieser Type.«
    »Oberfaul«, stimmte Karlchen zu. »Ich hab’s dir gleich gesagt, daß der Kerl nach Spionage riecht.« Er ließ nachdenklich eine Löffelladung Zitroneneis auf seiner Zunge zergehen. »Jedenfalls ist die Sache höchst schleierhaft und undurchsichtig.«
    »Wir werden uns den Vogel bei nächster Gelegenheit zur Brust nehmen«,

Weitere Kostenlose Bücher