Das unheimliche Haus
Tür hinter sich zumachte.
Die Glorreichen Sieben und die Maxen waren um diese Essenszeit nämlich die einzigen Gäste, und Paul Nachtigall hatte die Besitzerin der Milchbar schon gleich nach dem Hereinkommen schonend darauf vorbereitet, daß sie heute nicht wegen ihrer Mixgetränke vorbeigekommen seien.
»Schon kapiert«, hatte Frau Bandel geantwortet. »Die Herren wollen wieder einmal unter sich sein.«
Jetzt verteilten sich die Glorreichen und die Maxen auf die Stühle und Hocker an der Theke. Eine ganze Weile blickten sie sich schweigend an. Einige grinsten.
»Komisch«, sagte Paul Nachtigall schließlich, »daß wir so friedlich nebeneinandersitzen. Daran muß ich mich noch gewöhnen.«
Ulli Buchholz rieb sich mit dem Handrücken übers Kinn und zeigte sein übliches Lausbubenlächeln. »Dazu bleibt uns im Augenblick nicht viel Zeit«, meinte er. »Wenn das mit der Falschgeldwerkstatt wirklich stimmt, dann kommt’s vielleicht auf jede Minute an.«
»Wir müssen sie mitten in der Nacht überfallen und hopsnehmen«, schlug das Babygesicht vor. »Bestimmt gibt’s dafür eine saftige Belohnung.«
»Entschuldigung, aber bei dir piept’s wohl«, sagte Emil Langhans, und weil er sich über den neuen Ton gegenüber den Maxen noch nicht ganz im klaren war, fügte er hinzu: »Das soll selbstverständlich keine Beleidigung sein.«
Das Babygesicht lehnte sich zurück, und der Stuhl knarrte unter seinem Gewicht. »Will ich auch hoffen«, meinte er und grinste so freundlich wie ein Gartenzwerg.
»Indianerspielen wäre Blödsinn«, stellte der Anführer der Maxen fest. »Dazu ist die Kiste zu heiß.« Er blickte zum Boß der Glorreichen hinüber. »Was schlagt ihr vor? Schließlich haben wir alle genug Zeit zum Überlegen gehabt.«
»Du sagst es, die halbe Nacht bin ich in meinem Bett herumspaziert«, gab Paul Nachtigall zu.
»Und das Resultat?« fragte Ulli Buchholz.
»Zuerst soll euch unser Bürstenhaarschnitt erzählen, was er uns bereits in der großen Pause gesteckt hat«, schlug der Boß vor.
Karlchen Kubatz hatte wieder einmal die Hände unter den Oberschenkeln und wetzte auf seinem Stuhl hin und her. »Heute sollen Beamte vom Falschgelddezernat aus Frankfurt anreisen«, sagte er. »Vermutlich sind sie jetzt schon da und suchen nach Spuren.«
»Was bedeutet, daß wir ihnen Bescheid sagen sollten?« fragte der Junge in der kurzen Lederjacke. »Das meint ihr doch?«
»Es bleibt uns gar nichts anderes übrig«, stellte Paul Nachtigall fest. »Wir wollten nur warten, bis wir mit euch gesprochen haben.«
»Das Ding ist für uns ein paar Schuhnummern zu groß«, gab Emil Langhans zu bedenken.
Die Maxen schwiegen, blickten sich an und fühlten sich ein wenig geschmeichelt.
»Einverstanden«, sagte Ulli Buchholz endlich. »Und wir verbuchen es als Pluspunkt, daß ihr nicht losgedonnert seid, ohne uns zu fragen.«
»Abgemacht ist abgemacht«, sagte Paul Nachtigall.
Der Bürstenhaarschnitt klopfte an die Tür von Frau Bandels kleiner Wohnung und telefonierte kurz danach mit den Bad Rittershuder Nachrichten. Er wollte von seinem Vater erfahren, ob die Beamten vom Falschgelddezernat inzwischen eingetroffen wären und wo man sie erreichen könnte.
Es dauerte eine Weile, bis Fräulein Finkbeiner ihren Chef gefunden hatte.
»Du kommst nicht besonders gelegen«, bemerkte der Chefredakteur, als er schließlich den Hörer abgenommen hatte. »Wo brennt’s?«
»Eigentlich hätte ich dir schon heute morgen beim Frühstück etwas sagen sollen, aber ich durfte den Mund nicht aufmachen, weil wir uns das Wort gegeben hatten zu schweigen«, sagte Karlchen Kubatz und kam ins Stocken.
»Du sprichst in Rätseln, mein Sohn, und meine Zeit ist knapp«, erwiderte der Chefredakteur. »Würdest du freundlicherweise deutlich werden?«
So ganz deutlich wurde Karlchen Kubatz dann allerdings nicht, aber er erzählte doch soviel, daß es ausreichte, um den Chefredakteur sehr neugierig zu machen.
»Du hast mich in der Kantine erwischt«, sagte er. »Und die Herren, von denen du sprichst, sitzen mit mir beim Mittagessen.«
»Bestimmt würde ihnen der Appetit vergehen, wenn sie ahnen würden...«
»Wie bitte?« unterbrach ihn der Chefredakteur, hörte noch eine Weile zu, und dann sagte er nur noch: »Erikas Milchba in der Rabenstraße, okay«, und legte auf.
Schon eine Viertelstunde später lehnte Hauptkommissar Havelstein an Frau Bandels Theke.
Herr Kalender saß in seinem Fischgrätanzug neben Kommissar Jascheck auf einem
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