Das unheimliche Haus
der Anführer der Maxen: »Aufhören, für den Augenblick dürfte das reichen.«
Daraufhin lockerte der Bursche mit dem Babygesicht seinen Griff, und die anderen unterbrachen ihr Fußballspiel mit Karlchens Schienbeinen.
»Laß ihn los«, befahl Ulli Buchholz.
Das Babygesicht entließ Karlchen umgehend aus dem Schwitzkasten. Er lachte verlegen und beguckte sich seine viel zu großen Hände. »Es ist möglich, daß deine Ohren noch eine ganze Weile brennen«, bedauerte er, »das tut mir leid, ehrlich.«
»Du hast ein Gemüt wie ein Rhinozeros«, japste Karlchen. Er war außer Atem, und sein Kopf war rot wie ein Feuermelder. Er ging zu seinem Fahrrad, das am Boden lag, und stellte es auf. »Mehr als ein Dutzend gegen einen, da könnt ihr euch wirklich was drauf einbilden.«
»Es ging nicht anders«, erwiderte Ulli Buchholz undurchsichtig. Er grinste und fügte hinzu. »Aber es wird gar nicht lange dauern, bis du das begriffen hast.«
»Und das war alles?« Karlchen warf einen vernichtenden Blick zu Ulli und seinen Maxen hinüber.
»Bis auf eine Kleinigkeit«, sagte der Junge in den hautengen Jeans und der kurzen Lederjacke. Er zündete sich eine Zigarette an. Dabei ließ er sich eine ganze Menge Zeit.
»Es ist absolut nichts los zur Zeit«, nörgelte der bärenstarke Junge mit dem Babygesicht.
»Wir langweilen uns alle bis zum Gehtnichtmehr«, quengelte ein anderer Junge.
»Du hörst es«, faßte Ulli Buchholz zusammen, »meine Mohikaner wollen nicht länger in ihren Zelten auf der faulen Haut liegen. Es muß wieder Leben in die Bude.« Er zog an seiner Zigarette. »Und deshalb könnt ihr euch den vor Ostern ausgehandelten Burgfrieden an den Hut stecken. Und zwar genau heute um Mitternacht. Sag deinem Gesangverein Bescheid.«
»Ist das offiziell und amtlich?« fragte Karlchen Kubatz.
»Meinst du, ich mach’ Witze?« erwiderte der Chef der Maxen. »Um Mitternacht ist Ende der Fahnenstange, und ab morgen dürft ihr euch auf einiges gefaßt machen.« Er grinste von neuem und schnippte das abgebrannte Streichholz, mit dem er seine Zigarette angezündet hatte, in hohem Bogen durch die Luft.
Otto der Große, dem Bad Rittershude seine Gründung verdankte, hatte bei Kriegserklärungen jeweils seine Lanze über dem Knie zerbrochen und die Splitter seinem Feind vor die Füße gefeuert.
Karlchen Kubatz fühlt sich belämmert
Das Ehepaar Kubatz saß bereits bei der Tomatensuppe, als Karlchen in die Wohnung gefegt kam.
Der Setter namens Nepomuk hatte ein paarmal gebellt, war ihm bis zur Tür entgegengelaufen und wieselte jetzt zwischen seinen Beinen herum.
»Ist ja gut«, meinte Karlchen und kraulte den Hund. Gleichzeitig rief er ins Zimmer hinein: »Tut mir schrecklich leid, daß ich zu spät dran bin. Aber heut war der Affe los, kann ich euch husten.« Er hatte seine Schulmappe auf einen Sessel geworfen und verschwand jetzt zum Händewaschen in der Küche. »Hallo, Maria, wie geht’s, wie steht’s?« Die weißhaarige Haushälterin, die schon zur Familie gehört hatte, bevor Karlchen auf den Kubatzschen Böden herumgekrabbelt war, faltete ein Handtuch auseinander. »Fünf Minuten später und meine Kartoffelklöße wären auseinandergefallen wie ein müder Luftballon«, murmelte sie vorwurfsvoll.
Am Tisch trank der Sohn des Chefredakteurs im Stehen ein Glas Apfelsaft aus, tupfte dann seine Lippen mit der Serviette ab und sagte: »Entschuldigung, aber ich muß telefonieren.«
»Ein Benehmen wie die Axt im Wald«, sagte Herr Kubatz.
»Er hält sich nur an dein Beispiel«, sagte seine Frau und lächelte. »Es ist keine Seltenheit, daß man dein Essen drei- oder viermal aufwärmen muß, wenn deine Redaktion an der Strippe ist. Der Rekord war achtmal.«
»Immerhin telefoniere ich beruflich und nicht wie mein Herr Sohn aus purem Vergnügen«, meinte Herr Kubatz.
»Jedesmal wenn’s wahnsinnig dringend ist, meldet sich niemand, oder es ist besetzt«, nörgelte Karlchen. Er legte den Telefonhörer auf und kam an den Tisch zurück. »Von wegen Vergnügen«, sagte er zu seinem Vater, »die Maximilianschüler wollen sich wieder mal auf den Kriegspfad schleichen.«
»Wie man überhaupt so ein Wort in den Mund nehmen kann«, entgegnete Frau Kubatz. »Ich kann von Krieg nichts mehr hören, ganz egal in welchem Zusammenhang. Man wagt ja schon nicht mehr, die Nachrichten im Fernsehen anzudrehen. Auf der Erde soll es zur Zeit einunddreißig Kriegsschauplätze geben, man darf gar nicht daran denken.«
»Ab morgen sind’s
Weitere Kostenlose Bücher