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Das unheimliche Haus

Das unheimliche Haus

Titel: Das unheimliche Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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hatten auf Sendepause geschaltet.
    »Es passiert absolut gar nichts«, stellte Chefredakteur Kubatz fest. Er lag in einem drehbaren Sessel und hatte die übereinandergeschlagenen Füße auf dem Schreibtisch. Eine Wolke Pfeifenrauch wanderte über seinen Kopf hinweg zu seinen versammelten Mitarbeitern hinüber. Sie hatten es sich in Hemdsärmeln auf Stühlen, der Fensterbank und auch auf dem Teppich bequem gemacht.
    »...absolut gar nichts«, wiederholte Herr Kubatz. »Und damit sollen wir für die morgige Ausgabe eine Schlagzeile fabrizieren.«
    »Ist ja nicht gerade neu«, bemerkte Redakteur Hildesheimer, »ich meine, daß wir auf dem trockenen sitzen. Das übliche Sommerloch.« Er bog seine Finger durch, daß es knackte. »Aber wenn in den nächsten zwei Stunden nichts Besseres hereinkommt, haben wir ja immer noch dieses Ehepaar aus Hannover.«
    »Ein ordentlicher Schiffsuntergang wäre mir für die erste Seite lieber«, meinte ein jüngerer Kollege, der eigentlich für Sport zuständig war. »Oder wenigstens könnte sich der Ätna mal wieder rühren.«
    »Habt ihr von dem Ehepaar Fotos gemacht?« wollte Herr Kubatz wissen.
    »Jede Menge«, erwiderte Redakteur Hildesheimer. »Eine Mutti und ein Vati wie aus dem Bilderbuch, seit genau fünfundzwanzig Jahren glücklich verheiratet, der Mann ehemaliger Lokführer, heute Rentner mit eigener Bienenzucht und Schrebergarten.«
    »Also wenigstens etwas fürs Herz unserer Leser«, stellte Chefredakteur Kubatz fest. »Wenn man keine Sensationen aus der Tasche zaubern kann, läßt sich auch so etwas verkaufen.«
    Und darum ging es: Am Vormittag war der hunderttausendste Kurgast in Bad Rittershude erwartet worden. Als Preis winkten zwei Wochen kostenloser Aufenthalt, Freikarten für alle Thermalanwendungen, städtischen Omnibusse und Straßenbahnen. Ein Ehepaar aus Hannover, das schon seit vielen Jahren regelmäßig den Sommer hier verbrachte, hatte die numerierte und gewinnbringende Badekarte am Schalter gekauft.
    »Vermutlich hat die Kurverwaltung gemogelt«, grinste Redakteur Hildesheimer. »Aber es wäre ja auch nicht im Sinne des Erfinders gewesen, wenn irgendein Zufallsbesucher, der nur auf der Durchfahrt in unser Thermalwasser hineinschneit, die wunderschönen Preise kassiert hätte.«
    »Hauen wir also das Ehepaar aus Hannover auf die erste Seite«, entschied Herr Kubatz.
    »Wenn im letzten Augenblick nicht noch mein Ätna spuckt«, meinte der Sportredakteur.

    Im Hotel zum Kurfürsten tupfte inzwischen Fritz Treutlein dem saudiarabischen Prinzen nach der Rasur behutsam die Seifenschaumreste aus dem Gesicht.
    Im selben Moment trennte sich Karlchen Kubatz hinter dem Gaskessel von Sputnik. Sie hatten bis hierher einen gemeinsamen Weg gehabt. Jetzt radelte jeder für sich weiter. Sie waren ziemlich spät dran und hatten einen Zahn zugelegt.
    Fritz Treutlein hatte inzwischen seinen Kunden mit dem teuersten Rasierwasser des Salons verwöhnt. Er packte daraufhin seine Siebensachen zusammen, ging zur Tür und verbeugte sich höflich: »Thank you, majesty, it was a pleasure for me...« Im Korridor mußte er an zwei nußbraunen Leibwächtern vorbei. Sie hockten mit angezogenen Beinen auf dem Boden, hatten schwarze Vollbärte und Figuren wie Zehnkämpfer. Sie trugen seidene Gewänder, Turbane und große Krummdolche, die so aussahen, als seien sie aus Gold.
    »Wieviel hat er dir gegeben?« fragte der spindeldürre Hotelpage Fridolin Paschulke neugierig, als Fritz Treutlein in seinem weißen Friseurmantel in die Halle kam.
    »Er hat mir kolossal freundlich seine Zähne gezeigt und mit dem Kopf genickt, das war alles.«
    »Wenn ich mir sein Zahnpastalächeln jedesmal an die Wand hängen würde«, meinte Fridolin Paschulke, »dann könnte ich schon eine Gemäldegalerie aufmachen.« Er schüttelte den Kopf. »Es ist nicht zu fassen, aber bei diesem Burschen kannst du keine müde Mark abstauben. Dabei schwimmt er in Öl und Dollars.«
    »Unsere Gäste sind nicht verpflichtet, Trinkgelder zu geben«, belehrte Portier Pelz die beiden Jungen. Er stand in seiner dunkelgrünen Livree am Empfang und machte gerade einen Zimmerplan für die heute zu erwartenden Gäste. »Und wer weiß«, fuhr er fort, ohne aufzublicken, »vielleicht wirft unser arabischer Prinz bei seiner Abreise mit Armbanduhren und Hundertmarkscheinen nur so um sich. Nichts ist so unmöglich, als daß es nicht möglich wäre.«
    Karlchen Kubatz radelte unterdessen durch die Nußbaumallee. Dann bog er ab und fuhr jetzt auf

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