Das unheimliche Haus
Empfangshalle einer ziemlich feudalen Villa.
Sie entdeckten den »Mandarin« nicht sofort.
Die Strahlen der untergehenden Sonne fanden ihren Weg nur durch wenige schmale Ritzen in den dicht verschlossenen Fensterläden. Aber die schummrige Finsternis reichte aus, um einen riesigen offenen Kamin mit einem in Stein gemeißelten Wappen z u erkennen, Tapeten, die in Fetzen von den Wänden hingen, und eine Marmortreppe, die an riesigen Wandmalereien vorbei zu den oberen Stockwerken führte. Die Bilder zeigten irgendwelche Schlachten und waren teilweise bis zur Unkenntlichkeit ausgebleicht.
»Deine Weihnachtskerze kannst du vergessen«, sagte eine tiefe, verraucht klingende Stimme.
Sperling beeilte sich, seine Taschenlampe auszuknipsen.
»Also, da seid ihr ja«, fuhr die unverwechselbare Stimme fort. »Willkommen, meine Herren.«
Die drei waren stehengeblieben und blickten in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. »Hallo Chef«, sagten sie fast gleichzeitig.
Zuerst konnten sie nur eine kleine Wolke Zigarrenrauch ausfindig machen. Sie wanderte durch einen der von draußen hereinfallenden Lichtstreifen und löste sich dann allmählich auf.
»Ich hatte noch keine Gelegenheit, dir zu danken, Chef«, sagte Hugo Stielicke. »Angefangen vom Verteidiger bei meinem Prozeß bis zu deiner Hilfe im Knast und auch für die Zeit in Berlin. Das alles vergesse ich dir nicht.«
»Ja, unser Anwalt ist ein kluges Köpfchen«, erwiderte die tiefe Stimme. »Und Gelegenheit zum Danken bekommst du jetzt, soviel du willst. Hoffentlich hast du nichts verlernt?«
»Das ist wie beim Schwimmen oder Radfahren, Chef«, antwortete Stielicke. »Auch wenn man mal aus der Übung kommt, ganz verlernen tut man’s nie.«
Der Chef trat aus dem Schatten und stand jetzt mit dem Rücken gegen das dämmerige Licht. Es war die Silhouette eines großgewachsenen, breitschultrigen Mannes. Selbst das schwache Aufglimmen einer Zigarre ließ das Gesicht im Dunkeln. Man konnte lediglich erkennen, daß der »Mandarin« Lederhandschuhe trug. Nur die Spitzen seiner hochglanzpolierten Schuhe wurden von der zwielichtigen Helligkeit getroffen. »Zur Sache«, sagte er. »Wie weit seid ihr?«
Sperling richtete sich auf. »Die ersten Andrucke...«
»Ich will von unserem Freund Kroll wissen, was los ist«, unterbrach ihn die Stimme.
»Ja, Chef«, sagte der Dicke eingeschnappt.
»Die ersten Andrucke«, wiederholte der Mann mit dem schwarzumrandeten Kneifer, »haben wir noch nicht mit dem echten Papier gemacht. Wir sollten damit sparsam umgehen, denke ich. Schließlich bedeutet jedes vermasselte Stück ein paar Hundertmarkscheine. Und da könnte eine ganze Menge Moos Zusammenkommen, wenn ein Bogen nach dem anderen in die Binsen geht. War bestimmt nicht leicht zu beschaffen.«
»Schwierig, sehr schwierig«, sagte die tiefe Stimme mit einem kleinen Lachen. »Und billig war’s auch nicht, könnt ihr mir glauben. Als die Bande spitzkriegte, wie scharf ich auf das Zeug war, ist sie immer unverschämter geworden. Bis ich ihr klarmachte, daß ich kein Raumfahrtprogramm finanzieren will. Da ist ihr Boß endlich vernünftig geworden. Aber billig war’s trotzdem nicht, wie gesagt.«
Sperling kicherte beflissen.
»Jedenfalls sind wir damit, was das Wasserzeichen betrifft, aus dem Schneider«, warf Stielicke ein. »Und über das Wasserzeichen sind wir bisher immer gestolpert.«
»Leider gibt’s noch andere Schwierigkeiten«, äußerte sich Otto Kroll sanft. »Die Numerierung kriegen wir hin, das ist so gut wie sicher. Aber der metallische Sicherheitsfaden ist noch ‘ne ziemliche Nuß. Unser Freund Stielicke hat uns da heute allerdings schon weitergebracht. Er ist wirklich ein Genie, wenn ich das bei dieser Gelegenheit loswerden darf.«
»Moment mal«, unterbrach ihn der schlanke Mann mit den weißen Haaren, der wie ein Professor aussah. »Die Klischees von Kroll sind schon so gut wie perfekt. Das Porträt auf der Vorderseite ist so echt, daß es echter gar nicht geht.«
»Am schwierigsten waren die Augen und die Partie um den Mund herum«, erklärte Kroll. »Jetzt müssen wir abwarten, wie es mit den Farben hinhaut.«
»Das Betriebsklima scheint ja prächtig zu sein«, ließ sich die zufriedene Stimme des »Mandarin« hören. Nacheinander schwebten ein paar Zigarrenwolken aus dem dunklen Umriß heraus und kringelten sich in den von draußen hereinfallenden Lichtbündeln. »Kann ich mal was sehen?«
Kroll griff in die Tasche seiner Jacke. »Wir haben zwei
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