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Das unheimliche Haus

Das unheimliche Haus

Titel: Das unheimliche Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Land herein, und Eschnapur geht im Hagel ihrer Pfeile unter.«
    Die Versammlung palaverte aufgeregt durcheinander, bis der steinalte Großwesir seine dürren Arme ausbreitete. »Niemals darf man sich einer Erpressung beugen«, sagte er. »Niemals!«
    »Aber was bleibt mir denn anderes übrig?« fragte der Sultan.
    »Wir müssen die geraubten Briefe von den Sarazenen zurückerobern«, erwiderte der greise Großwesir. »Lasse sie im Glauben, Sultan, daß du mit ihnen verhandeln willst, und bestelle ihre Führer zu dir. Selbstverständlich werden sie nicht so dumm sein und die Druckmittel ihrer Erpressung mitbringen. Sie lassen die Briefe in ihrem Lager zurück und glauben, daß sie dort vor unserem Zugriff sicher sind. Sie werden deiner Einladung ohne Bedenken nachkommen, denn du mußt sie wieder unbehelligt ziehen lassen, solange die Papiere unerreichbar für dich sind, auch wenn es zu keiner Einigung kommt.« Der alte Mann breitete von neuem seine Arme aus. »Aber während die Führer der Sarazenen hierbei dir im Palast sind, werden wir ihre Zelte überfallen, holen uns die Briefe zurück und schlagen ihnen damit die Waffe für ihre schändliche Erpressung aus der Hand.«
    »Bei Mohammed, so soll es geschehen«, entschied der Sultan.
    »Und laßt mich an der Seite von Hassan den Überfall anführen«, brüllte Karlchen Kubatz. Er wirbelte seinen Krummsäbel durch die Luft, daß es nur so funkelte und blitzte.
    Schon ein paar Tage später erschienen die Anführer der Sarazenen mit großem Gepränge in Eschnapur. Kaum waren sie im Palast verschwunden, jagte ein halbes Hundert berittener Krieger aus der Stadt heraus und mitten in die Wüste hinein.
    Weit voraus hetzten Hassan und Karlchen auf blütenweißen Hengsten nebeneinander her. Sandwolken hüllten sie ein...
    Ausgerechnet in diesem Augenblick knallte die Nachttischlampe auf den Bettvorleger, und Karlchen Kubatz wachte auf. Im allerersten Moment vermutete er noch, daß er das Ding mit dem Krummsäbel erwischt hätte. Aber dann bemerkte er sein Kopfkissen auf dem Boden. Vermutlich hatte er sich im Traum zu schwungvoll von der einen Seite auf die andere geworfen.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis es ihm dämmerte, daß er den Überfall auf die Zeltstadt jetzt wohl nie mehr erleben würde. Dabei wäre es ihm ganz bestimmt gelungen, die geraubten Briefe aufzustöbern. Der Sultan hätte die Führer der Sarazenen wahrscheinlich vorübergehend in Ketten geworfen und ihn mit Juwelen überhäuft. Womöglich würde er ihm zum Herumgondeln auch noch seinen Luxus-Jumbo geschenkt haben.
    Karlchen war stocksauer und fühlte sich um den schönen Abschluß seines Traums betrogen. »Zu dämlich«, murmelte er und starrte an die Decke.
    Plötzlich richtete er sich auf.
    Ziemlich lange rührte er sich nicht. Inzwischen war ihm nämlich klargeworden, daß er in dieser Nacht sehr viel mehr als nur irgendeine belanglose Geschichte geträumt hatte.
    »Jetzt nichts überstürzen und ganz logisch bleiben«, sagte er zu sich selbst. Er verschränkte die Arme. »Also, vermutlich war ich gestern abend beim Einschlafen mit meinen Gedanken bei diesen verflixten Maxen und hab’ nachgegrübelt, wie man mit ihrer miesen Erpressung fertig werden kann. Darüber muß ich eingepennt sein. Aber die Schraube hat sich weitergedreht.« Jetzt verschränkte er auch die Beine, rieb die großen Zehen aneinander. »Und jetzt servieren mir meine grauen Zellen in einem Traum die perfekte Lösung. Es ist nicht zu fassen.« Er kletterte behutsam unter der Bettdecke hervor, fingerte nach der Nachttischlampe, knipste sie an und stellte sie an ihren Platz zurück. Am liebsten hätte er jetzt auf der Stelle nacheinander seine Glorreichen aus den Betten geklingelt. Aber so mitten in der Nacht ging das wohl nicht. »Hau dich wieder aufs Ohr«, schlug er sich selber vor. »Morgen mußt du ausgeschlafen sein, Karlchen, und bis Freitag haben wir noch eine ganze Menge Zeit.«
    Schon zehn Minuten später war er wieder eingeschlafen, und als dann um sieben Uhr der Wecker läutete, stellte er ihn ab und sprang wie an jedem Schultag mit beiden Beinen gleichzeitig aus dem Bett.
    Erst unter der Dusche fiel ihm sein Traum wieder ein, und während er sich mit geschlossenen Augen den Kopf einseifte, träumte er ihn zum zweitenmal, so gut es eben ging. Beim Abtrocknen war er ziemlich sicher, daß ihn der Großwesir von Eschnapur auf eine ganz vorzügliche Idee gebracht hatte, und beim Zähneputzen war sein Plan bereits fix und

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