Das unheimliche Haus
hinter mir. Ich muß den Hörer zwischen Ohr und Schulter klemmen — ist gemacht — meinem Drehstuhl einen Schubs geben — ist auch gemacht — und jetzt den Kasten aufziehen — so, das haben wir auch — und jetzt fang’ ich an — da krieg’ ich zuerst den Baum zwischen die Finger — Andreas Baum ist in der Neunten und fünfzehn Jahre alt — Bahnhofstraße 25 — Heureka, da kommt der Steinberger, der ist gleichfalls in der Neunten und das Alter vierzehn — Sarasatestraße 2 — Geduld, Geduld, ich suche weiter — Beuschel — Bolenski — Brettschneider — aha, da kommt er — Buchholz, Ulrich, Rotwiesenstraße 18, er ist sechzehn — und jetzt Michael Nowak, übrigens ein Bursche, der es faustdick hinter den Ohren hat — er wohnt Keltenweg 104 und ist fünfzehn...«
»Entschuldigen Sie, Frau Warnicke«, unterbrach Emil Langhans die Sekretärin. »Machen Sie sich nicht zuviel Mühe. Ich brauche lediglich das Alter, die Adressen können wir uns sparen.«
Die Glorreichen grinsten. Der dickliche Sputnik riß die Arme in die Luft und begann lautlos durch das Zimmer zu tanzen.
»... und Herbert Spörrle, der ist vierzehn«, sagte die Sekretärin schließlich. »Damit hätten wir’s.«
»Sie haben mir sehr geholfen, Frau Warnicke«, säuselte Emil Langhans mit seiner Stimmbruchstimme, und endlich machte er die Augen wieder auf. »Kann ich Ihnen vielleicht meinerseits einen Gefallen tun?«
»Mit zwei Tribünenkarten beim Schwimmfest könnten Sie mir eine große Freude machen.«
»Gemacht, Frau Warnicke, und zwar in der zweiten Reihe gleich hinter dem Bürgermeister. Sie können sich auf mich verlassen. Nochmals besten Dank und auf Wiedersehen, gnädige Frau.«
»Auf Wiedersehen«, grüßte die Sekretärin der Maximilianschule zurück. »Und schauen Sie zu, daß wir in diesem Jahr endlich einmal gewinnen und nicht immer die Gören vom Prinz-Ludwig-Gymnasium.« Sie ließ wieder ihr Kichern hören, und dann legte sie auf.
Auch Emil Langhans legt den Hörer auf den Apparat zurück. Er machte es sehr behutsam. »Besten Dank, Frau Warnicke«, sagte er leise. Jetzt waren die Glorreichen Sieben nicht mehr zu halten. Sie sprangen aus ihren Stühlen, sofern sie überhaupt noch saßen, wollten sich auskugeln vor Lachen, klatschten immer wieder in die Hände und feierten den Langen wie einen Weltmeister.
Erika Bandel steckte erschrocken den Kopf durch die Tür. Aber ein Blick genügte, und sie beruhigte sich wieder. »Na, dann ist ja alles in Ordnung«, sagte sie nur und flitzte zu ihren Milchmischgetränken zurück.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sich die Glorreichen auf ihre Stühle zurückfallen ließen. Sie streckten die Beine aus und japsten noch ein bißchen.
»Oh, Mann«, stöhnte Karlchen Kubatz.
Sputnik tat so, als hätte er einen Telefonhörer am Ohr, schloß die Augen und krächzte mit verstellter Stimme: »Danke, die Adressen können wir uns sparen!«
Man brach in neues Gelächter aus, wieherte durcheinander, und Sputnik krümmte sich, als habe er Bauchschmerzen.
Aber dann breitete Emil Langhans die Arme aus wie ein Quizmeister, der bei seinem Auftritt mit Beifall überschüttet wird und genug davon hat. »Rotwiesenstraße«, sagte er trocken in die Stille, »ich hab’ keine Ahnung, wo das ist.«
»In der neuen Siedlung hinter den Lagerhallen«, wußte Manuel Kohl.
»Dann wäre es für unseren Plan am günstigsten, wenn sich die Maxen als Treffpunkt die Lagerhallen aussuchen würden«, stellte Paul Nachtigall fest. »Von dort bis zur neuen Siedlung sind’s mit dem Fahrrad keine drei Minuten.«
»Andererseits ist der Gaskessel fast zu weit weg«, meinte Karlchen Kubatz besorgt und legt seine Stirn in Falten.
»Kann ja auch sein, daß die Maxen auf unsere Vorschläge gar nicht eingehen und sich etwas ganz Neues einfallen lassen«, warf Manuel Kohl ein. Er war jetzt keinesfalls mehr zuversichtlich. »Wir sind ein bißchen viel darauf angewiesen, daß wir Glück haben«, sagte er leise.
»Jetzt bloß keine Panik«, mahnte der Boß. »Vorausgesetzt, die Maxen kommen, wovon wir ja alle felsenfest überzeugt sind...« Er war aufgestanden und ging jetzt hin und her, weil er dabei besser nachdenken konnte. »... also, dann stellt sich die Frage, wie lange wir sie hinhalten können, ohne daß sie mißtrauisch werden.«
»Eine Viertelstunde, schätze ich«, meinte Emil Langhans. »Höchstens eine halbe. Aber dann müssen wir uns schon eine ganze Menge einfallen lassen. Daß die Zeit trotzdem
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