Das unheimliche Haus
die im Bundestag rumsitzen«, erwiderte der Rothaarige, ohne zu zögern.
»Das sind Parlamentarier«, bemerkte der Boß katzenfreundlich. »Parlamentäre dagegen sind Leute, die in Kriegszeiten mit einer weißen Fahne und völkerrechtlich geschützt zum Feind spazieren, um mit ihm über irgend etwas zu verhandeln, wenn es was zu verhandeln gibt.«
»Die weiße Fahne brauchen sie selbstverständlich bloß, wenn geschossen wird«, warf Manuel Kohl dazwischen.
»Hört mit dem Quatsch auf«, knurrte der Rothaarige.
»Von Quatsch kann nicht die Rede sein«, bemerkte Paul Nachtigall nachsichtig. Er ließ sich einfach nicht aus der Ruhe bringen.
Der Honeyboy schlürfte seine Colabüchse leer, warf sie bis zur Schulterhöhe in die Luft und fing sie wieder auf. »Also schön, ich soll für euch den Parlamentärdingsbums, oder was weiß ich, spielen und den Maxen stecken, daß ihr sie morgen treffen wollt.«
»Sagen wir, auch wieder um fünf Uhr«, mischte sich Emil Langhans ein. »Hinter dem Güterbahnhof, bei Rinaldos Eisdiele, bei den Lagerhallen oder am Gaskessel, sie können sich’s aussuchen. Nur daß sie nicht glauben, wir wollen ihnen eine Falle stellen.«
Der Knabe mit den vielen Sommersprossen ließ den Blick durch die dicken Gläser seiner Brille von einem zum anderen wandern. »Sagt mir einen einzigen Grund, weshalb euch die Maximilianschüler trauen sollen?«
»jetzt geht er entschieden zu weit«, stellte Sputnik fest. Karlchen ballte die Fäuste in den Hosentaschen, und Emil Langhans mußte sich mit den Zähnen auf die Lippen beißen, um nicht loszudonnern. Aber auch Paul Nachtigall hatte die Frechheiten allmählich satt. »Zergrüble dir nicht deinen Kopf für andere«, sagte er. »Ob sie auf unseren Vorschlag eingehen oder nicht, müssen die Maxen entscheiden. Du sollst nur zu ihnen gehen und berichten, was wir dir erzählt haben.« Er sah die anderen an und fügte dann noch hinzu: »Aber du kannst ihnen schon sagen, daß wir uns ihre Bedingungen sehr genau überlegt haben und daß es vielleicht eine Lösung gibt, die für beide Seiten akzeptabel ist.«
»Wie schreibt man akzeptabel?« fragte der Honeyboy und grinste wieder einmal sein bodenlos freches Grinsen.
»Ich kann’s dir auch übersetzen«, knurrte Sputnik. Er kaute an seiner dritten Pausenbanane.
»Sehr freundlich«, meinte der Spindeldürre. »Ich weiß einigermaßen, was es bedeutet.«
»Mit einem Z nach dem K und einem harten p«, sagte Manuel Kohl mit einiger Verspätung. Er hoffte ja von allen anderen am allermeisten, daß Karlchens Plan gelingen würde.
Drüben klingelte es.
»Alle Klarheiten beseitigt?« fragte Paul Nachtigall.
»Ich weiß nicht recht«, druckste der Honeyboy herum. »Ich habe das dumpfe Gefühl...«
»Du bist im Augenblick das typische Beispiel für den Konflikt zwischen verschiedenen Pflichten«, sagte der Boß wieder ziemlich gespreizt, »so was passiert gelegentlich.«
»Sag uns morgen Bescheid«, bemerkte Karlchen Kubatz. »Wir sind in der großen Pause wieder hier und warten auf dich.«
»Wir werden sehen«, meinte der Honeyboy und machte sich auf die Socken.
»Vergiß nicht, sehr freundlich zu grüßen«, rief Sputnik hinter ihm her.
»Sie werden kommen, da gibt’s für mich überhaupt keinen Zweifel«, sagte Emil Langhans, sobald der Honeyboy außer Hörweite war. »Dazu sind sie viel zu neugierig, und außerdem langweilen sie sich.«
»Jedenfalls müssen wir als nächstes rauskriegen, wo Ulli Buchholz wohnt, und zwar so, daß er nichts merkt«, warf Karlchen Kubatz ein. »Jetzt ist Fingerspitzengefühl gefragt.«
»Wir können ihn verfolgen, wenn er heimfährt«, überlegte Sputnik und verwarf seine Idee gleich wieder. »Zu gefährlich. Karlchen hat recht, wir müssen sehr vorsichtig sein. Mitten in der Stadt ginge es ja noch. Aber wenn er in einer ruhigen Gegend wohnt, könnte er uns entdecken.«
»Schließlich gibt es Telefon- und Adreßbücher«, bemerkte Hans Pigge.
»Aber Buchholzens sind in Bad Rittershude fast so häufig wie Maiers oder Müllers«, gab Manuel Kohl zu bedenken. »Und manche haben dieselben Vornamen. Mein Vater hat deshalb schon ein paarmal seine Blumen falsch ausgeliefert.«
»Der direkte Weg ist immer der beste«, erklärte Emil Langhans und rückte mit dem Zeigefinger seine Hornbrille zurecht. »Wenn ich mit meiner Stimme beim Rektorat der Maximilian-Schule anrufe, glaubt die Sekretärin unter Garantie, daß ein Erwachsener am Apparat ist.«
»Aber was willst du
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