Das unheimliche Medium
nur wußte ich keine Antwort. Es breitete sich nicht aus, es war die Quelle, strahlte nicht ab und blieb an dem Fleck stehen.
Ich sah das Licht zum erstenmal, hatte keinen Beweis, doch ich ging davon aus, daß dieser Schein die Quelle allen Übels war. Das heißt, ich mußte hin und sein Geheimnis ergründen, zur Not mich auch dagegenstellen, um es dann zu vernichten.
Das alles kam mir in den Sinn, auch noch einiges mehr, worüber ich nicht nachdachte, weil ich von anderen Dingen abgelenkt wurde, die sich unter mir auf der Straße abspielten.
Bisher hatte ich mich über die ungewöhnliche Leere gewundert, eine Leere ohne Leben, die unter einem mächtigen Druck erschaffen worden war.
Das hatte sich geändert. Der kleine Ort war aus dem bösen Traum oder dem Totenschlaf erwacht. Zahlreiche Geräusche durchbrachen die Stille.
Ich hörte das Schlagen von Türen, auch Stimmen, Schritte, mal schnell, mal langsam, hier und da ein scharfes Lachen, Hüsteln ödere andere Dinge, die eben zu dieser Kulisse gehörten. Auch Tiere hatten sich aus ihren Verstecken getraut. So bellte ein Hund, und selbst Vögel waren erwacht, die bisher in den Bäumen geschlafen hatten. Sie flatterten über Dächer hinweg zu anderen Zielen. Ein Vogel huschte dicht vor dem offenen Fenster vorbei.
Ich verstand die Welt nicht mehr und beugte mich vor, um besser sehen zu können. Ich brauchte den Blick nach drei Seiten und sah von nun an besser.
Zahlreiche Menschen hatten ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Sie liefen von ihrem Zuhause weg, trafen sich auf der Straße, wo sich die Frauen, Männer und Kinder zu Gruppen zusammenfanden und miteinander sprachen.
Dabei flüsterten sie nur, als hätten sie Angst davor, etwas zu wecken, das in der Nähe lauerte.
Ich begriff die Welt nicht mehr. Trotzdem dachte ich darüber nach, was die Leute veranlaßt hatte, ihre sicheren Häuser zu verlassen. Es mußte einen Grund gegeben haben. Daß sie es gemeinsam getan hatten, ließ auf einen Befehl schließen, der ausschließlich sie erreicht hatte. Konnte es das ungewöhnliche Licht gewesen sein?
Ich ging zunächst davon aus und schaute an der Hauswand entlang nach unten.
Dort standen zwei Frauen und ein Mann, sie unterhielten sich, sie hatten sich anscheinend zu einem kleinen Tratsch zusammengefunden.
Schaute man genauer hin, wie ich es tat, war schon die Veränderung zu erkennen. Sie sprachen zwar miteinander, aber sie wirkten so emotionslos. Die Wut drückte sich bei ihnen ebenso aus wie die Freude.
Da zeigte keiner eine Reaktion. Nicht einmal ein Lachen wehte zu mir hoch.
Das war alles sehr seltsam, und der kleine Ort hatte längst noch nicht seine Normalität wiedergefunden. Nach wie vor stand er unter dem Druck einer anderen Macht, das Gespensterhafte hatte sich nur etwas verlagert. Wohler fühlte ich mich nicht.
Was hatte die Menschen dazu veranlaßt, sich auf der Straße zu treffen?
Sie standen da und warteten. Ja, so und nicht anders kamen sie mir vor.
Hin und wieder schaute jemand zum Himmel. Mir war klar, daß die Menschen geholt worden waren. Jemand kontrollierte sie noch immer, und das konnte nur die Macht sein, die auch Verantwortung für das Blitz-Inferno getragen hatte. Sie war und blieb unsichtbar. Sie hatte sich zurückgezogen wie hinter einen Vorhang, aber es gab gut sichtbar das Licht. Diesen hellen wolkenartigen Schwamm, der sich in Dachhöhe nicht vom Fleck rührte.
War er die Lösung?
Ich runzelte die Stirn und sinnierte darüber nach. Wenn ja, dann durfte ich mich hier nicht länger mehr aufhalten und mußte zusehen, daß ich das Licht erreichte. Eine Beklemmung wurde ich ebenfalls nicht los.
Nach wie vor rechnete ich damit, daß dieses gewaltige und lautlose Blitzgewitter zurückkehrte, um erneut zuzuschlagen und auch den Rest des Ortes unter Kontrolle zu kriegen.
Ich schaute noch einmal rechts und links die Straße hoch. Dort hatten sich die Menschen sich versammelt, und die Gruppen waren größer geworden. Doch keine Person blickte bewußt dorthin, wo die Lichtwolke stand.
Ich drehte mich wieder um, weil ich ein leises Stöhnen gehört hatte.
Walter Styron tappte durch das Zimmer. Er hatte eine Hand gegen die Stirn gelegt, als wollte er darüber nachdenken, ob er das Richtige tat oder nicht. Für seine Frau hatte er keinen Blick. Sie hockte apathisch im Sesel und stierte zu Boden. »Walter!«
Er schrak zusammen, als er meine Stimme hörte. Langsam drehte er sich um. »Wie fühlen Sie sich?«
Seine Hand sank nieder.
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