Das unheimliche Medium
»Gut«, sagte er. »ja, ich fühle mich gut.«
»Schön.«
»Ich will weg!«
Auf diesen Satz hatte ich gewartet. Es wäre schon unnatürlich gewesen, wäre er nicht gesprochen worden. »Darf ich fragen, wohin Sie wollen? Welches Ziel haben Sie sich ausgesucht?«
»Zu den anderen.«
»Und ich auch!« Betty hatte sich gemeldet. Es mußte so kommen. Hatte sie nichts gesagt, wäre es sehr verwunderlich gewesen. Sie war wieder obenauf und erhob sich.
Ich ließ sie noch nicht gehen. Sie hatten die Botschaft erhalten. Ich wollte wissen, wie dies abgelaufen war und fragte: »Warum wollt ihr weg? Wer hat es euch gesagt?«
Erst schauten sie sich gegenseitig an, dann richteten sie ihre Blicke auf mich. Beide hoben die Schultern.
»Sie müssen doch wissen, wer Sie dazu veranlaßt hat. Das geschah nicht grundlos.«
Wieder schauten sich die beiden an und hoben nun gleichzeitig die Schultern. Walter sagte: »Wir müssen weg.«
Betty nickte.
Ich wollte sie noch nicht gehen lassen. »Hat sich bei Ihnen nichts verändert? Erinnern Sie sich noch daran, wie Sie noch vor wenigen Minuten reagiert haben? Da waren Sie völlig apathisch und davor aggressiv. Was ist nun geschehen?«
Von Betty bekam ich eine Antwort. »Wir sollen kommen«, sagte sie. »Ja, wir sollen kommen.«
»Schön. Und wohin?«
»Nach draußen.«
»Das hat man euch gesagt?«
Sie nickte. »Ja, so ist das. Wir haben den Befehl empfangen. Jemand wünscht, daß wir auf die Straße gehen.« Betty redete noch mit mir, ihr Mann hatte sich bereits umgedreht und ging auf die Tür zu. Ich überlegte, ob ich ihn gehen lassen sollte oder nicht. Die Entscheidung nahm er mir ab. Er öffnete die Tür nur und drehte seiner Frau den Kopf zu, weil er auf sie wartete.
»War es das Licht?«
Betty strich über den Stoff ihres Jogging-Anzugs. Sie machte einen nachdenklichen Eindruck. Ihre Lippen bewegten sich, erst nach einer Weile gab sie Antwort. »Licht…?«
»Es leuchtet über einem Haus.«
»Wo?«
Ich wollte ihre Neugierde befriedigen, deshalb faßte ich sie an der Schulter und drückte sie herum. »Kommen Sie, wir werden zum Fenster gehen, dann zeige ich es Ihnen.«
Walter rief seiner Frau zu, es nicht zu tun, aber ich hatte die besseren Karten. Sie blieb bei mir. Das Fenster war groß genug, um uns beiden den nötigen Blick zu verschaffen. Betty hatte sich vorgebeugt. Sie hob eine Hand, um einer unten stehenden Nachbarin zuzuwinken. Die Frau schaute zufällig hoch.
»Nicht dorthin«, sagte ich, »Sie müssen über die Dächer hinwegschauen.« Ich wies ihr mit dem ausgestreckten Arm die richtige Richtung. »Dort, an der Seite eines Dachs, schimmerte der Fleck. Er sieht aus wie eine Wolke. Können Sie ihn erkennen?«
Als Antwort bekam ich ein zögerndes Nicken.
»Ist es der Grund?« Ich schaute sie von der Seite her an. An ihrem Profil war keine Regung zu erkennen.
»Bitte, Mrs. Styron!«
Auch mein Drängen nutzte nichts. Sie hob nur die Schultern. Plötzlich lächelte sie. »Es ist schön«, sagte sie. »Ja, es ist schön…«
Ich kam mit dieser Antwort nicht zurecht. Was, zum Henker, war denn schön daran? »Meinen Sie das Licht?«
»Es ist schön. So warm, so wunderbar. Es wird uns allen helfen, glaube ich. Die Erscheinung ist da.«
Klar, die sah ich auch. Für mich war sie ein Rätsel. Ich aber wollte mehr wissen und wegkommen von den schwammigen Bemerkungen oder Antworten. Deshalb erkundigte ich mich danach, wer in diesem Haus lebte.
»Die Shanes.«
»Gute Leute?«
»Ja, wir kennen sie gut. Es sind Dinah, Gregory und auch Nora Shane.«
»Eine Familie. Ein Ehepaar mit Tochter?«
Sie schüttelte den Kopf. »Keine Tochter. Nora ist die Nichte, das Patenkind. Ihre Eltern sind tödlich verunglückt. Die Shanes haben das Mädchen aufgenommen.«
»Und weiter?«
»Sie kümmern sich um die Kleine.«
»Wie alt ist Nora?«
Mrs. Styron überlegte. »Genau kann ich es nicht sagen. Ich glaube aber, daß sie nicht älter als zwölf Jahre ist. Wie gesagt, ich weiß es nicht genau.«
»Das war doch schon etwas.« Ich kam auf die ungewöhnliche Erscheinung zu sprechen. »Können Sie sich einen Grund für dieses Licht vorstellen, Mrs. Styron?«
Sie biß sich auf die Unterlippe. »Eigentlich nicht, nein, bestimmt nicht.«
»Eine Lampe ist es nicht.«
Sie schüttelte den Kopf. »Da oben nicht, Sir. Aber da ist etwas anderes, glaube ich.«
»Und was?«
»Eine Schüssel!«
Ich erwiderte zunächst einmal nichts. Dann schluckte ich schwer, bevor ich weiter
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